Mein Weg durch den Dschungel 2006
Sooo, Jahresendzeit: Rückblick-Pflicht. Da will ich mich nicht drücken. Was habe ich denn 2006 alles so angestellt? Also jetzt journalistisch, Jungle-mäßig, gemeint. Hmmm. Viele Artikel bestellt und redigiert, die nicht meine waren. Nicht alle haben mich interessiert… Andere umso mehr. Und was meine betrifft: Manche sorgten für mehr, andere für gar keine Resonanz. Einige haben mir persönlich viel Spaß bereitet, andere waren eher Pflichtprogramm. Lassen wirs nochmal Revue passieren.
Mir viel Spaß bereitet, aber relativ wenig Resonanz fand meine Besprechung des Johnny-Cash-Films „Walk the Line“. Obwohl ich dort echt dick aufgetragen habe. Mein Beitrag über den Karikaturen-Streit „Schluss mit lustig“ stieß auf große Zustimmung. Der Artikel über den israelischen Comic-Zeichner Amitai Sandy, der als Antwort auf den Teheraner Holocaust-Cartoon-Wettbewerb einen israelischen Karikaturen-Wettbewerb um den antisemitischsten Cartoon ausgerufen hatte, wurde kaum rezipiert, obwohl das Thema sehr präsent war medial und ich der erste war, der die Geschichte gemacht hat. Schließlich war Amitai einer der Illustratoren unserer Israel-Sonderausgabe 2004 und wir haben einige Zeit mit ihm verbracht. Da hatte ich mit mehr gerechnet.
Ebenfalls für nur wenig Aufsehen sorgte mein Interview mit Willi „Ente“ Lippens, obwohl das doch eigentlich ein echtes Schmankerl im Vorfeld der WM war. Umso mehr wurde mein großartiges Interview mit Martin Rooney, dem vermeintlichen Onkel von Wayne Rooney, zur Kenntnis genommen. Ein echter Scoop - dachte ich zuerst. Doch da war auch ich in die Falle getappt, die der sympathische Engländer mit seinem ihm eigenen Humor ausgelegt hatte. Das Interview war super, nur die Verwandtschaftsverhältnisse stimmten nicht so ganz. Doch wir haben in der Jungle das Beste draus gemacht. Wir gewannen Martin Rooney, der nämlich ein wirklich intelligenter und gewitzter Typ ist, in der Folge mehrere Wochen lang eine exklusive Kolumne für uns zu verfassen, „Unkle Rooney’s Welt“, die wie ich finde ziemlich gut war!
Viel zu wenig Beachtung fand dagegen mein Interview mit Ralph Giordano zum KPD-Verbot. So viele Buchstaben wurden rund um dieses Thema Land auf und ab publiziert, dabei war dieses Interview, so denke ich, wohl einer der interessantesten Beiträge dazu.
Dann waren wir ja mit der ganzen Jungle-Crew in Holland, was wie immer ein tolles Erlebnis war, aus dem Ausland eine Ausgabe zu produzieren. Das hat viel Spaß gemacht, auch nett mein Treffen mit dem Kraaker in Amsterdam. Und schön war es, festzustellen, dass mein Niederländisch sogar zum Übersetzen von Artikeln reichte. Außerdem war es mein einziger Urlaub… Aber natürlich war unsere Holland-Ausgabe nicht ganz so umjubelt, wie unsere Israel-Ausgabe 2004, aber das war ja klar.
Mal ganz was andres – für mich - war die Reportage vom Streik bei CNH in Spandau. Normalerweise hab ichs ja nicht so mit Arbeitskämpfen und Proletarier-Romantik und Gewerkschafts-Larifari. Aber das war wirklich interessant und hat echt Spaß gemacht. Auch, weil Reportagen eben doch das schönste und edelste Genre sind, ich aber viel zu selten dazu komme.
Rund um den Libanon-Krieg wurde ja viel diskutiert. Das haben wir nicht nur in der Zeitung getan, sondern auch bei dieser interessanten Veranstaltung, die ich moderieren durfte/musste… wie auch immer.
Gar nicht lustig fanden Viele meinen Beitrag, in dem ich forderte, wenn die Bundeswehr schon in den Libanon geht, dann soll sie auch den Kampf mit der Hizbollah aufnehmen und nicht „neutral“ auf dem Meer herumschippern. Da gab es manch bösen Kommentar im Netz, wohl auch, weil ich es drauf angelegt hatte, und extra ein paar Catchwörter wie „Schlussstrich“ „deutsche Normalität“ „den Kopf hinhalten!“ eingestreut hatte, damit der Beitrag auch ja Beachtung findet. Das war mir wichtig, denn wenn es soweit kommt, dass deutsche und antideutsche Linke den Holocaust dazu instrumentalisieren, dass sich Deutschland NICHT klar gegen den Jihadismus positionieren muss, dann läuft da etwas schief.
Achja, und dann gab es ja auch noch die WM. Und die Jungle World mischte sich munter in der Fahnen-Nationalismus-Debatte ein. Auch das gab viel Aufregung, allerdings nicht wegen meiner Beiträge. Obwohl mein Kommentar zu der Bedeutung der Fahnen in Ostdeutschland doch eigentlich ganz hübsch war.
Viele persönliche Reaktionen von Freunden und Bekannten – völlig überraschenderweise lauter positive - erhielt ich zu meiner Glosse „Sweet Home Antifa“ im Rahmen unserer schönen Serie zur Familien-Debatte „Happy Familiy“. Erst wollte ich das unter Pseudonym machen, aber dann dachte ich, ach scheißegal. Auch mein eher aus dem Ärmel geschüttelter Artikel „Nie wieder Antifaschismus“ fand einigen Zuspruch. Obwohl ich mit Aussagen wie „Nicht jeder KZ-Wächter war ein Nationalsozialist“ eigentlich ordentlich Zunder gelegt hatte. Aber vielleicht habe ich auch einfach mal richtig gelegen mit einer These… :-)
Zweimal war ich dieses Jahr in Dresden, wo ich als Podiumsteilnehmer einmal über „Nationalsozialismus heute“ und einmal über Rassismus diskutierte. Das war ganz witzig, weil man im tiefen Osten, fern der Jungle-Leserschaft ziemlich leicht mit nur halbwegs steilen Thesen Leben in die Bude bringen kann.
Just Fun war mein Beitrag zur eher launischen Disko-Serie über Punk. Aber so was muss ja auch mal sein. Mein Interview mit Mitchell Cohen vom New Yorker Magazin Dissent wurde leider kaum zur Kenntnis genommen, obwohl der Mensch viele interessante Dinge zu sagen hatte, und als „left hawk“ in den USA eine sehr spezielle Rolle einnimmt. Gleich zwei Interviews machte ich mit Pro Asyl zu Flüchtlingen, Migration und Rassismus, aber, zugegeben, bahnbrechende neue Erkenntnisse gab es da nicht.
Umso mehr Aufregung gab es um die Sache mit der Hamas und der Linkspartei. Da habe ich doch ordentlich Staub aufgewirbelt und ein paar gute Beiträge machen können. War ja auch ein dankbares Thema. Das führte dann zu Verwicklungen mit meinem alten Kollegen Jürgen Elsässer, der mir glatt eine Vendetta unterstellte.
Noch einen kleinen Aufreger produzierte ich mit einem eher mäßigen und nur semi-ambitionierten Disko-Beitrag zur Amok-Debatte, nachdem mir ein anderer Artikel in der Zeitung dazu als zu gefällig erschien. Dabei hatte ich gar keine echte These, sondern eher Fragen und wollte die Debatte einfach noch mal aufmachen, bevor sie mit dem Verweis auf die schlimme soziale Lage der Gesellschaft zur allgemeinen linken Zufriedenheit beendet wird. Nun, das ist zumindest im Ansatz gelungen. Meinen schlechtesten Text, ein fadenscheiniger Kommentar zu Linken und Knästen, hat zum Glück kaum jemand wahrgenommen. Jedenfalls habe ich keine Reaktionen darauf vernommen, obwohl das wirklich eine echt dünne Suppe war.
Natürlich gab es noch jede Menge anderer Dinge, aber das sind die, die erstmal in Erinnerung blieben. So, und was kommt 2007? Also für die kommende Jungle-Ausgabe habe ich mal ein Horoskop für das Jahr ausgearbeitet, das zeigt, warum alles schlechter wird. Das stimmt allerdings nur ALLGEMEIN, weil MEIN Jahr 2007 wird ganz megadufte. Davon dann mehr in zwölf Monaten an dieser Stelle. Auf ein Neues!