Freitag, März 30, 2007

Was sollen wir trinken sieben Tage lang?
Weisheit ist die Fähigkeit zu merken, wann man mit seiner Klugheit am Ende ist. Das wissen aber nicht alle. Voller Stolz verkündete die Bundesregierung einst, der Alkopop-Konsum bei Jugendlichen sei nach der Erhebung spezieller Steuern auf die Mixdrinks deutlich zurückgegangen. Schön, schön. Weil die Alkopops zu teuer sind, kippen sich die Kids nun also lieber 50 Tequila hinter die Binde. Aber auch darauf hat die Politik eine Antwort. Flatrate-Schnäppchen sollen verboten werden. Ein Vorstoß aus Berlin, wo jährlich mit der Biermeile, die größte Saufwerbe- veranstaltung weit und breit stattfindet. Aber gut. Man könnte sagen: Flatrate-Saufen verbieten? Prima, endlich Schluss mit dem All-Inclusive-Terror am Ballermann, mit CSU-Parteitagen, Fan-Meilen, Rosenmontagszügen und Oktoberfesten. Aber die Folgen werden leider andre sein:

Erst fahren die Jugendlichen nach Tschechien, um an den Billigsprit zu kommen, saufen statt teuer in der Kneipe lieber die Kornflaschen vom Lidl auf dem Dorfplatz, und wenn dann eines Tages Alkohol endlich teurer als Heroin ist, fallen die Teens reihenweise von den Disko-Toiletten.

Das gilt es zu verhindern! Also: Liebe Kinder, lasst es Euch sagen, Alkopops? Wie uncool! Und: Das schmeckt doch gar nicht! 50 Tequila? Seid ihr völlig bekloppt?! Wie es richtig geht, wie man einen ordentlichen Totalabsturz organisiert und montags wieder auf der Matte steht, erfahrt Ihr hier.

Mittwoch, März 28, 2007

(Reportage aus der aktuellen Jungle World, angereichert mit Links)

Die Russen kommen!
Mit der steigenden Zahl der Einwanderer aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion gewinnt in Israel auch ein Phänomen an Gewicht, mit dem sich die israelische Gesellschaft verständlicherweise schwer tut: Neonazis.
von Ivo Bozic

„Kommen Sie herein, schauen Sie sich alles in Ruhe an. Wissen Sie, das ist eine besonders schöne und lebendige Synagoge. Hier ist jeden Tag Betrieb, jeden Tag, morgens und abends, ist die Synagoge voll mit Menschen“, erklärt der Hausmeister stolz. Touristen verirren sich normalerweise nicht nach Petah Tiqwa, einem Vorort Tel Avivs, dessen einzige Sehenswürdigkeit eben jene Große Synagoge ist. 109 Jahre ist sie alt, groß und hell. In der Mitte zwischen den Sitzbänken stehen unzählige heiliger Schriften. Der sympathische ältere Herr ist sehr erfreut über das Interesse an seiner Synagoge und führt mich herum. Aber als ich ihn auf den Vorfall vor einem Jahr anspreche, wirkt er jedoch gekränkt. Ob dies die Synagoge ist, die letztes Jahr von Neonazis geschändet wurde, will ich wissen. Ja, sagt er, und schüttelt den Kopf. Das sei eine schlimme Sache gewesen. Ein paar verirrte Jugendliche hätten wohl dahinter gesteckt. Ach, es gebe über all auf der Welt so viele Verrückte. Er möchte das Thema wechseln. Es ist ihm unangenehm, dass da jemand aus Deutschland vor ihm steht und ihn nach Neonazis in Israel befragt. In der Tat: eine paradoxe Situation. Auch mir ist sie unangenehm.

Es war letztes Jahr im Mai. Da waren Neonazis nachts in die Synagoge eingebrochen und hatten überall Hakenkreuze und „Hitler“ hingesprayt, auch auf den Torah-Schrein und die heiligen Bücher. Auf den Boden hatten sie „Rammstein“ geschrieben. Die Torah-Rollen waren aus ihren Schank gezerrt und auf den Boden geworfen worden. Drei Täter wurden später gefasst, darunter der Anführer einer 15- bis 20köpfigen Naziskin-Truppe. Er kam einige Monate ins Gefängnis und zog dann mit seinen Eltern nach Be’er Sheva. Er soll jedoch regelmäßig am Wochenende wieder in Petah Tiqwa sein und den Kontakt mit seinen Kameraden pflegen. Das erzählt mir später Zalman Gilichensky, der in Israel so etwas wie die einzige Antifa-Recherche-Stelle betreibt.

Die Tageszeitung Ha’aretz berichtete kürzlich in einer Serie mit dem Titel „Antisemitismus von Innen“ auch über die Stadt Petah Tiqwa. Jugendgangs sollen die Straßen unsicher machen, hieß es. Drei Szenen machte die Zeitung aus: Punks, Skins und Naziskins. In Zeichnungen wurden deren Dresscodes dargestellt. Glatze, weiße Schnürsenkel bei den Naziskins, schwarze Hosen, bunte Haare bei den Punks und so weiter. Die Ha’aretz sprach mit einem 18jährigen Mädchen namens Irina, die bis vor kurzem ein „Skin-Girl“ gewesen sei. Ihr Ex-Freund sei der Anführer einer Gruppe von Skinheads, die sich darauf spezialisiert habe, Orthodoxe zu attackieren. An Wochenenden, so erzählt Irina, habe man im Park zusammen gesessen, getrunken, geraucht und Nazimusik gehört, später habe man dann Ausschau nach Orthodoxen gehalten. An Hitlers Geburtstag hätten sie sich auf einem Friedhof getroffen und gefeiert.

Petah Tiqwa ist kein Banlieu, keine trostlose Satellitenstadt mit Plattenbauten und ohne soziale Infrastruktur, von der man behaupten könnte, Jugendlichen bliebe gar nichts anderes übrig, als auf die schiefe Bahn zu gelangen. Im Gegenteil. Es ist eine sehr quirlige, lebendige, eigentlich sogar ganz hübsche Stadt, mit Fußgängerzonen, Geschäftsstraßen, einem großen Markt; die „Mutter aller Siedlungen“. 1878 begannen aus Ungarn stammende jüdische Siedler, die damals malariaverseuchten Sümpfe trockenzulegen und eine Stadt aufzubauen, der sie den Namen Petah Tiqwa („Tor zur Hoffnung“) gaben und die später, nach der zweiten Einwanderungswelle 1904, zum Geburtsort der zionistischen Arbeiterbewegung werden sollte. Tel Aviv war da noch nicht gegründet. 300 Synagogen gibt es hier. Unter den 170.000 Einwohnern sind etwa 5.000 ultra-orthodoxe Familien. Dennoch sind die Männer mit den schwarzen Hüten und Mänteln längst nicht so präsent im Straßenbild wie etwa in Jerusalem. Man ist von hier schnell in der heimlichen Hauptstadt: Mit dem Bus dauert es keine halbe Stunde bis nach Tel Aviv.

Was allerdings unüberseh- und unüberhörbar ist: Petah Tiqwa spricht russisch. Alle Anschläge an schwarzen Brettern sind auf Russisch, die Schilder in den Läden. In den Ständern mancher Zeitungskioske liegen ausschließlich russische Zeitungen aus. Die Getränkeläden bieten ein beeindruckendes Wodka-Sortiment. Auch die Punk-, Skin- und Naziskin-Gangs setzen sich ausschließlich aus russischen Jugendlichen zusammen.

Petah Tiqwa ist nur eine von mehreren Städten Israels, in denen russische Neueinwanderer dominieren. Von den 6,5 Millionen Israelis stammen 1,3 Millionen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Das sind 20 Prozent. Viele von ihnen leben auch Groß-Siedlungen in der Westbank, etwa in Ariel, aber selbstverständlich auch in den Metropolen Jerusalem und Tel Aviv. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es eine regelrechte Einwanderungswelle. Viele Russen profitieren dabei von der israelischen Einwanderungsgesetzgebung, die seit einer Änderung des Rückkehrgesetzes („Law of Return“) 1970 nicht nur Juden ein Aufenthaltsrecht in Israel und die Staatsbürgerschaft zubilligt, sondern auch allen, die nach den Nürnberger Rassengesetzen als Juden angesehen würden. Es reicht also, wenn ein Großvater jüdisch ist, um einwandern zu dürfen, während nach jüdischem Recht die Mutter jüdisch sein muss, um als Jude zu gelten. „Wer jüdisch genug war, um von den Nazis vergast zu werden, ist auch jüdisch genug, um vom jüdischen Staat aufgenommen zu werden“, erklärt Michael Jankelowitz von der Jewish Agency diese Rechtsauffassung. Als 1999 erstmals deutlich mehr nichtjüdische als jüdische Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion nach Israel eingewandert waren, begann eine bis heute andauernde Debatte um eine Reform des Rückkehrgesetzes (Jungle World 51/99). Heutzutage sind nur 25 Prozent der Einwanderer aus den GUS-Staaten Juden, von den unter 10jährigen Kindern hat keines zwei jüdische Eltern.

Es sind vor allem russische Neueinwanderer, die zu Nazi-Gesinnungen neigen. Und nicht nur in Petah Tiqwa. Im Januar diesen Jahres wurden sechs Jugendliche im Alter von zwischen zwölf und 15 Jahren im Tel Aviver Vorort Bat Yam dabei erwischt, wie sie in ihrer Schule die Mezuzahs - kleine Schriftkapseln, die man in jüdischen Haushalten an den Türrahmen befestigt - abgerissen und eine Israelfahne und religiöse Schriften verbrannt hatten. „Wir lehnen Juden und alles Jüdische ab“, erklärten sie. In der ebenfalls von russischen Migranten geprägten Stadt Arad, am Rand der Negev-Wüste im Süden des Landes, wurde in den letzten Monaten fünf Mal in Synagogen eingebrochen und randaliert. Im Jahr 2006 gab es mindestens sechs Berichte über Schändungen von Friedhöfen und Synagogen und Nazi-Graffitis in Israel.

Neu ist das Phänomen nicht. Seit 2002 wurden über 500 antisemitische Vorfälle in Israel registriert, vor allem Hakenkreuzschmierereien und Vandalismus auf Friedhöfen, aber auch Attacken gegen orthodoxe Juden. 2003 berichtete eine russischsprachige Zeitung über eine ebenfalls russische Internetseite der offen neonazistischen Gruppe „White Israeli Union“, die gegen Juden wie Araber hetzte. Die Seite, die der IDF-Soldat Ilia Zolotov betrieb, wurde von der Polizei sofort abgeschaltet. Weiterhin online ist hingegen eine auf einem russischen Server beheimatete Seite eines „Russian National Center“. Dort wurden schon mal Unterschriften für einen in Tschechien verhafteten Musiker der Nazi-Band „Kolovrat“ gesammelt. 150 Unterschriften kamen von israelischen Internet-Usern.

Im Oktober 2004 sollte im „Kosmonaut“, einem Club im Tel Aviver Alternativ-Bezirk Florentin ein Konzert der österreichischen Neonazi-Band „Der Blutharsch“ stattfinden. Eine Band, deren Songs zum Teil auf dem Liedgut der NS-Bewegung basieren. Nach einiger öffentlicher Kritik wurde das Konzert schließlich abgesagt. Die israelischen Organisatoren sprachen von Zensur. Es könne nicht die Rede davon sein, dass „Blutharsch“ eine Naziband sei, vielmehr werde hier eine Hexenjagd gegen eine Jugendkultur betrieben, wie in den 80er Jahren gegen die Heavy-Metall-Szene. Tatsächlich gibt es für Darkwave in Israels Jugend ein Publikum. Bereits vier Monate vorher war die rechtsextreme Band „Death in June“ ungestört im Club „Exposé“ aufgetreten. Rund 500 Zuschauer sollen gekommen sein.

Zalman Gilichensky will, dass ich für das Gespräch zu ihm in sein Büro komme. Das befindet sich in einer gutbürgerlichen Wohngegend am nördlichsten Rand Jerusalems. Englisch spricht er kaum. Ich soll einen Dolmetscher mitbringen. Ari hat sich bereit erklärt, mir zu helfen. Ich treffe Ari zum ersten Mal fünf Minuten vor unserem Treffen mit Gilichensky in der Nähe des Büros. Ich muss ihm am Telefon beschreiben, wie er mich erkennen kann. Das ist nicht schwierig. Ich bin der Typ mit der blauen Jacke, alle anderen Menschen hier in der Gegend sind schwarz gekleidet. Es ist ein durch und durch orthodoxes Viertel. Die Männer tragen lange schwarze Mäntel und große Hüte, die Frauen Hauben und lange Röcke; die kleinen Jungs auf dem Spielplatz haben eine Kippa auf dem Kopf und ihre Schläfenlocken hinters Ohr geklemmt. Auch Gilichensky ist ein Orthodoxer. Er hat kurze graumelierte Haare, einen Bart, trägt einen schwarzen Anzug und eine Kippa. Sein Hut hängt an einem Haken neben der Tür. Er lässt uns Platz nehmen. Das Büro ist nur wenige Quadratmeter groß, drei Computer stehen dort und ein Kopiergerät. Eine Freiwillige, ein junges Mädchen, sitzt an einem Rechner und arbeitet still, ohne aufzublicken, als wir eintreten.

Zalman Gilichensky ist 1989 aus Moldawien nach Israel immigriert. Grund waren die ökonomische Situation des Landes, aber auch der virulente Antisemitismus in seiner Heimat. Dass er ausgerechnet in Israel auf Antisemitismus stieß, habe ihn geschockt, sagt er. Nachdem er 1999 in einer russischsprachigen Zeitung eine Anzeige geschaltet habe, in der er nach Erfahrungen mit Antisemitismus in Israel fragte, und hunderte Reaktionen erhielt, entschloss er sich mit Freunden zusammen, das Informationszentrum für Opfer von Antisemitismus in Israel zu gründen, in dessen wir Büro jetzt sitzen.

Gilichensky breitet Fotos vor uns aus, die Hakenkreuzschmierereien in Be’er Sheva, Lod, Bnei Brak, Jerusalem und Haifa zeigen. Der Vorfall in Petah Tiqwa sei alles andere als ein Einzelfall, erklärt er. Er macht auf ein besonderes Problem aufmerksam. Wie alle Israelis müssen auch die russischen Jugendlichen ihren Wehrdienst ableisten, egal ob sie Juden sind oder nicht. Gilichensky zeigt mir das Foto eines IDF-Soldaten, der in israelischer Uniform mit zum Hitlergruß erhobenem Arm posiert. Es handelt sich um Ilia Zolotov, den ehemaligen Betreiber der Website „White Israeli Union“. Als die Polizei im Mai letzten Jahres bei dem 20jährigen eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachts auf Drogenbesitz machte, fand sie in seiner Wohnung in Ariel neben Heroin auch jede Menge Nazi-Literatur und –Propaganda auf seinem Computer. Er hasse die Juden, erklärte er freimütig. Zeitungen titelten mit der Überschrift: „IDF-Soldat: Ich bin ein Nazi.“ Im September 2006 wurde er verurteilt, seine Strafe: ein paar Sozialstunden und eine Fahrt in die KZ-Gedenkstätte Auschwitz.

Bei einem anderen IDF-Soldaten entdeckte man letztes Jahr ein eintätowiertes Hakenkreuz auf dem linken Oberarm. Gilichensky zeigt mir auch dieses Foto. Die einzige Strafe für den Soldaten bestand im Ausschluss aus der Armee. Für Nazi-Propagandadelikte gibt es in Israel keine juristische Handhabe. Im Februar 2005 marschierten nichtjüdische Mitglieder einer IDF-Einheit bei einer Übung in Nazi-Manier auf und brüllten Dinge wie „Sieg Heil“ und „Heil Hitler“, es kam zu einer Rauferei mit jüdischen Soldaten der Einheit. Gilichensky macht ein ernstes Gesicht. Er sagt: „In Russland oder Europa, da laufen Neonazis vielleicht mit Messern durch die Gegend, hier aber haben sie, wenn sie in der Armee dienen, eine scharfe Waffe in der Hand.“

Bei offiziellen Stellen in Israel stößt er nur auf taube Ohren, klagt Gilichensky. Man wolle das Problem einfach nicht wahrhaben. Bereits im Jahr 2000 sei eine Fernseh-Dokumentation zum Thema geplant und auch schon zur Hälfte produziert gewesen, dann aber habe man es sich anders überlegt und das Projekt abgebrochen. Hauptsächlich westliche Medien interessierten sich für seine Arbeit, sagt Gilichensky.

Das rechtsextreme Gedankengut bringen Neueinwanderer teilweise aus Russland mit, meint Gilichensky, aber da sie mehrere russische Fernsehkanäle empfangen können, regelmäßig in die alte Heimat reisen und über Internet Kontakt mit entsprechenden Szenen halten, gebe es auch eine andauernde politische Beeinflussung in Israel. Er holt zwei Bücher aus der Schreibtischschublade. Es sind Bücher von Holocaustleugnern. Er hat sie in russischen Buchhandlungen in Israel erworben. Auch Kassetten mit Nazi-Musik werden übers Internet in Israel vertrieben.

Ich frage Gilichensky, ob es personelle oder strukturelle Verbindungen zwischen antisemitischen Russen in Israel und dem arabischen Antisemitismus gebe. Nein, sagt er schnell, die Neonazis würden schließlich auch Araber hassen, da gebe es keinerlei Verbindungen, jedenfalls sei ihm nichts dergleichen bekannt. Ich frage ihn, ob es auch jüdische Neonazis gebe, oder ob alle auffällig gewordenen Antisemiten in Israel Nichtjuden seien. Diese Frage findet Gilichensky befremdlich. Antisemitische Juden? Wie solle denn das gehen?! Nein, nein, es handle sich ausschließlich um Leute, die mit dem Judentum nichts zu tun hätten.

Es gibt jedoch auch Einige, die das anders sehen. Aaron J. Goldberg vom Israel-Büro der Anti-Defamation League hat Zalman Gilichensky bereits vor Jahren vorgeworfen, den Antisemitismus dafür zu instrumentalisieren, eine Revision des Rückkehrgesetzes zu betreiben. Tatsächlich fordert Gilichensky als eine Maßnahme gegen den wachsenden Antisemitismus, das Rückkehrrecht für Nichtjuden zu verschärfen, und statt pauschaler Kriterien, Einzelfallprüfungen anzuwenden. Es lässt sich nicht ausschließen, dass ein Orthodoxer wie Gilichensky auch national-religiöse Motive dafür hat, unzufrieden mit der Zuwanderungspolitik zu sein, die im Moment dazu führt, dass sich der Anteil der Nichtjuden in Israel stetig vergrößert.

Trotzdem macht Gilichinsky nicht den Eindruck, ein verbohrter Religiöser zu sein. Man glaubt ihm seine persönliche Betroffenheit darüber, dass sich ausgerechnet auch in Israel, dem Zufluchtsort für von Antisemitismus betroffenen Juden, Neonazis ausbreiten können. Auch wenn jene bislang nur ein Randphänomen sind, und die Israelis in der Tat gewichtigere Sorgen haben. und die wesentlich größere Bedrohung durch Antisemiten außerhalb Israels besteht, so wächst doch unbestreitbar die Notwendigkeit auf diese Erscheinungen zu reagieren.


Fotos: 1) Die Große Synagoge in Petah Tiqwa, 2) Rathaus von Petah Tiqwa - "Die Mutter aller Siedlungen", 3) Zalman Gilichensky, 4) Fotos von Hakenkreuzschmierereien in Israel

Freitag, März 23, 2007

Knut!
oder: Wer vermenschlicht hier wen?

Knut muss sterben! Das forderten letzte Woche angeblich Tierschützer. Der „Tierschützer“, auf den diese Meldung zurückgeht, ist jedoch Tierrechtler, was ein wichtiger Unterschied ist, und selbstverständlich fordert er nicht die Ermordung von Knut, sondern will mit seinem Engagement für „nichtmenschliche Tiere“ nur die „Beendigung aller Haltungen in Gefangenschaft“ erreichen, also die Schließung aller Zoos. Sprengt die Knäste – sozusagen.

Die Tötung eines „nichtmenschlichen Tieres“ wäre glatter "Mord", sagte der Tierrechtler und beruft sich auf Ethik und Moral. Und auf die „Gesetze der Natur“, die eine Inhaftierung von „nichtmenschlichen Tieren“ und deren widernatürliche Haltung und Ermordung verbieten würden. Seine abstruse Argumentation bringt das Problem der Tierrechtler auf den Punkt: Die Gesetze der Menschen und der Natur klaffen weit auseinander. Zum Glück! Sonst säßen nämlich nicht nur Knut, sondern seine gesamten Artgenossen im Knast wegen des Mordes an unzähligen Fischen. Eigentlich gehörte die gesamte Tierwelt eingesperrt, denn diese „nichtmenschlichen Tiere“ verstoßen Tag und Nacht gegen so ziemlich jede Regel, die der Mensch aufgestellt hat. Und würden andersrum die Gesetze der Natur für Menschen gelten, dann wäre es erlaubt, die eigenen Kinder nach der Geburt aufzuessen oder im Wettstreit um die Gunst der Liebsten die Kontrahenten totzubeißen - unser Leben wäre einziges Fressen und Gefressenwerden.

Das in Seattle ansässige Great Ape Project fordert eine „Erklärung für Menschenaffen“, die Gorillas, Orang-Utans, Schimpansen und Bonobos mit dem Menschen rechtlich auf eine Stufe stellt. Selber unterzeichnen können die Affen sie wohl kaum. Und wenn sie erstmal auf die Idee kommen, ihr Recht auf Arbeit oder Teilnahme an den Wahlen einzuklagen, na das wird lustig! Aber gut: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Dann sollen Tiere bitteschön auch in der Armee dienen, Steuern zahlen und sich im Auto anschnallen. Ich seh schon Knut, wie er versucht, seinen Hartz-IV-Antrag auszufüllen, nachdem man ihm den Mietvertrag im Berliner Zoo gekündigt hat, weil er seinen Müll nicht getrennt hat. „Vermenschlichung“ von Tieren lautet der Vorwurf an den Berliner Zoo bezüglich Knut? Das ich nicht lache. Dieser Vorwurf geht an die Tierrechtler.

Nein, ich bin sicher, Knut mag keine Tierrechtler. Und schon allein deshalb mag ich Knut.
Knut tut gut!

Foto: Hund beim Gesetzesverstoß. Nicht angeschnallt kostet 30 Euro Strafe! Haste nicht, Fiffi? Geh arbeiten!

Mittwoch, März 21, 2007

Post von Oma
Ich hatte ja schon viele unangenehme Briefe, Rechnungen und so im Briefkasten, als ich von meiner Reise wiederkam, die unangenehmste Post aber war nur fälschlicherweise dazwischen geraten und eigentlich nicht für mich bestimmt. Da ich den vorgesehenen Empfänger bei mir im Haus nicht ausmachen kann, gebe ich eben Euch die Gelegenheit, diesen Wink mit dem Zaunpfahl von Oma zur Kenntnis zu nehmen... Geburtstagskarten, wie wir sie lieben...

Like Ice in the Sunshine…
Als die andren Jungs schon anfingen, sich für Mädchen zu interessieren, habe ich jeden Tag nach der Schule, Punkt 14 Uhr, in einem Heft die Außentemperatur notiert, die Punkte miteinander verbunden, und so über drei Jahre lang eine schöne Klima-Grafik geführt. Dazu Vermerke über Schneefall, Regen, Sonne und Wind. Man sieht, ich bin für die aktuelle Klimadebatte hoffnungslos überqualifiziert. Höchste Zeit also, dass ich mich auch mal zum Thema äußere.

Vor allem scheint man ja besorgt, dass das Eis schmilzt, höre ich. Dazu hat Harald Schmidt eigentlich, wie so oft, alles Notwendige gesagt, in einem wunderbaren Interview mit Michael Angele von der netzeitung:

„Angele: In den Bergen schmelzen die Gletscher.

Schmidt: Da muss ich ehrlich sagen: Warum nicht? Ich selber stand vor drei Gletschern: Aletschgletscher, Franz Josef Gletscher in Neuseeland, und noch ein Riesenteil in Grönland. Tut mir leid, ich sehe da nur dreckiges Eis.

Angele: Dann lieber Dreck ohne Eis?

Schmidt: Ich selber brauche keine Gletscher. Ich möchte auch endlich wissen, ob nun eigentlich die Polkappen abschmelzen oder ob wir einer neuen Eiszeit entgegengehen. Ich war da, in Grönland. Mit dem Kreuzfahrtschiff. Und so lange der Steward noch mit dem Pickel das Eis von der Gletscherwand haut - für den Whiskey am Abend, weil Fachleute sagen „Das knistert anders“ -, so lange das noch gewährleistet ist, bin ich mir nicht sicher.

(…) Angele: Mich berührt das Wetter schon.

Schmidt: Warum?

Angele: Weil die Menschen und vor allem: die Medien es nicht in den Griff kriegen.

Schmidt: Das Wetter in Europa ist doch putzig.

Angele: Mich fasziniert, dass die Wetterprognosen trotz Hightech so ungenau sind. Man schaut aus dem Fenster und sagt sich: sie liegen schon wieder daneben.

Schmidt: Egal, ich bin wetterunabhängig, wissen Sie. Wenn mir das Wetter auf den Sack geht, gehe ich ins Studio und mache den Scheinwerfer an. Das ist diese positive Beleuchtung, diese Lichttherapie, die es auch auf Krankenschein gibt. So. Und wenn Sie irgendeinmal rund um den Äquator unterwegs waren, dann wissen sie, dass bei uns absolut menschenfreundliches Wetter herrscht. Denken Sie an den Tsunami. Hier dagegen: elf Monate im Jahr Pissbrühe. Dafür aber keine Erdbeben, keine Hurricanes.

Angele: Das Wetter ist eben nicht nur freundlich, es ist eine „Urgewalt“.

Schmidt: In Europa ist es keine Urgewalt. Nochmals zum Aletschgletscher. Da sehe ich immer diese zwei Postkarten: 1912 und heute. Na und? 1912 wurden die Menschen 43 Jahre alt, heute werden sie 95. Man kann nicht alles haben. Entweder Gletscher oder frühes Ende. Oder kein Gletscher und elf neue Hüften. Man muss sich auch mal entscheiden. Entweder der Mensch oder die Natur.“

Soweit der sympathische Wetterfrosch Harald Schmidt. Ich möchte dazu anmerken, dass noch vor 10.000 Jahren das Eis des Nordpols bis kurz vor Berlin reichte. Wer, bitteschön, möchte sich darüber beschweren, dass es weggeschmolzen ist?

Das zeigt uns, wie schön und dem Leben zugeneigt es ist, wenn Eis schmilzt. Wenn der (wirklich schöne - ich war auch mal dort) Aletschgletscher schmilzt, okay, dann ist eben mehr Platz für Wiesen und Kühe und Menschen. Und Wasser gibt das! Ich denke, Wasser ist so wertvoll?!

Nun wurden ja auch auf dem Mars riesige Eiskappen an den Polen entdeckt. Wenn die abtauen würden, so heißt es, wäre der ganze Mars mit einer Wasserschicht von elf Metern überdeckt. Also fast so wie die Erde damals, als sie begann, Leben zu entwickeln. Und weil es ja nicht nur auf der Erde wärmer wird, sondern auf dem Mars, dem Jupiter und auf Pluto auch - obwohl dort keine Kühlschränke betrieben werden und keine Autos fahren - dürfen wir also hoffen, dass auf dem Mars eines Tages eine neue Erde entstehen wird, mit Amöben, Würmern, Fischen, Dinosauriern, Säugetieren und schließlich womöglich so was wie Menschen. Dann können wir ja immer noch umziehen, falls es hier zu nass wird.

Dass die Sonne stärker strahlt, hat die Bild-Zeitung schon im Mai 2005 berichtet, als es mal kurz richtig heiß war. „Höllen-Sonne! So starke Strahlung wie noch nie! Im Sommer über 50 Grad? Wie viele Glutwellen aus dem All hält unsere Erde noch aus? Dürfen wir diesen Sommer nicht mehr raus?“ titelte die Zeitung damals auf Seite Eins und zitierte das Max-Planck-Institut: „Wir registrieren die höchsten UV-Werte seit der letzten Eiszeit.“ Hautärzte warnten: „Zwischen elf und 15 Uhr nicht in die Sonne!“ Ich gebe zu, ich habe mir Sorgen gemacht.

Okay, dann folgte ein total mieser, verregneter Sommer, darauf ein gnadenlos eisiger Winter, das war erst letztes Jahr, aber dieser letzte Winter war ja tatsächlich ziemlich warm, in Deutschland zumindest, und so dürfen wir also weiter hoffen, dass die Sonne, die gute, einfach noch mal ein bisschen aufdreht, und uns mehr und mehr Wärme, Licht und Leben schenkt. Ich bin dafür.

*singing*: …like ice in the sunshine, I’m melting away, on this sunny day…. If you wanna have some fun, feeling groovy down by the sea, lay down in the summer sun, feel the good vibrations with me. Like ice in the sunshine….

Fotos: 1) gutes Wetter 2) böses Wetter

Dienstag, März 20, 2007

NEU...
sind immerhin einige Links im Sidebar. Werde die jetzt häufiger mal ein bisschen abwechseln, denke ich. Über planet.olifani erreicht Ihr allesamt sehr schöne, interessante oder auch schön schräge Blogs. Ich habe also auf die einzelne Aufzählung der dort vertretenen Blogs verzichtet.
Ansonsten verweise ich gerne auch noch mal auf diese Liste.
Viel Spaß beim Surfen!

Sonntag, März 18, 2007

Mondlandung
Ein Wasserschaden im Erker und ein paar Briefumschläge, die ich lieber noch nicht aufgemacht habe. Ansonsten ist hier alles beim Alten. Und somit ist der schlimmst mögliche, gleichzeitig wahrscheinlichste Fall eingetreten. Gibts denn gar nichts Neues hier? Um das zu ergründen, habe ich mir erstmal die Bild geholt. Und siehe da:"Wir Deutsche fliegen zum Mond". Na wenn das nichts ist. Solch eine außerirdische Begegnung hatte ich übrigens neulich schon beim Purim-Umzug in Holon, südlich von Tel Aviv:
Und auch wenn ich gegen Brasilien-Fans war bei der WM, in Holon fand ich sie prima:

Ach so, auch neu scheint das Flatrate-Saufen zu sein. Offenbar DAS große Thema des aktuellen Sommerlochs (ist ja tatsächlich eines, denn es regnet ekligst...). Aber wie ich lese, hat Harald Schmidt schon alles notwendige zum Flatrate-Saufen gesagt: "Wieso die Aufregung ? Letztes Jahr nannte man das noch Fanmeile."

Wusstet Ihr, dass ein Mond-Globus teurer ist als ein Erd-Globus? Das ist doch verrückt. Dieser kleine dumme Trabant, ohne Zeit- und Klimazonen und Kontinente, ohne Flüsse und Ozeane, der sich nervig an die Erde rangehängt hat und den dicken Max macht mit Licht, dass er nicht mal selbst produziert... So werden wir abgezockt, Leute!

Hmm, gebt mir noch ein paar Tage für die Landung in der deutschen Mondlandschaft, und dann wird das alles schon werden...

Montag, März 05, 2007

Schalom,
wie Ihr bemerkt haben duerftet, tut sich auf diesem Blog grad recht wenig. Das liegt zum Einen daran, dass ich gewisse technische Schwierigkeiten habe, zum Anderen, habe ich ja auch URLAUB, und eine Weile das Internet zu ignorieren, ist eine wunderschoene Erfahrung, kann ich nur dringend empfehlen.

Nach mehreren Tagen ausgiebigsten Purims, uff, muss ich mich nun etwas erholen, zum Beispiel am Strand.

Meine Reportage aus Sderot konntet Ihr in der Jungle World lesen, oder etwas laenger, auch hier .

Ich versuche, mich demnaechst hier wieder etwas haeufiger zu Wort zu melden, ansonsten findet Ihr meine Berichte ja hier und hier und hier, hier und hier und auch kuenftig hier.

Go in Peace!