Good News:
Ich muss nicht in den KnastIch weiß nicht, wie es Euch geht, aber das Leben ist ja manchmal arg pfui. Schön also, wenn es auch mal richtig gute Nachrichten gibt. Vor allem, wenn es um 250.000 Euro geht, da will man doch lieber gewinnen als verlieren, vor Gericht, meine ich. Und das ist mir und der
Jungle World vor ein paar Wochen gelungen. Man kann auch sagen, unserem sehr geschätzten Anwalt. Die Band "
Der Blutharsch" wollte von mir nicht als "Neonazi-Band" bezeichnet werden und eine Unterlassungserklärung unterzeichnet haben oder andernfalls wollte sie bei Wiederholung schlappe 250.000 Euro überwiesen bekommen. Auch eine Ordnungshaft von sechs Monaten (für mich!) schien der Band angemessen. Mir und der
Jungle World schienen hingegen weder das eine noch das andre akzeptabel, außerdem hatte ich die Kohle grade nicht auf Tasche und sechs Monate hätten mir die Kollegen auch niemals frei gegeben. So landete die Sache also vor Gericht. Hier ein Artikel dazu aus der Donnerstag erscheinenden
Jungle World:
Kritik ja, Schmähung neinDie österreichische Band »Der Blutharsch« will nicht als »Neonazi-Band« bezeichnet werden und strengte deshalb ein Verfahren gegen die
Jungle World an. Das Gericht folgte jedoch der Argumentation der Zeitung.
von emil kiplingDer tiefste Punkt der Pfalz (87,3 m) befindet sich nur wenige hundert Meter vom Rhein entfernt auf einem Kartoffelacker in der Ortschaft Frankenthal. Diese geographische Sehenswürdigkeit war es allerdings nicht, was den Rechtsanwalt der
Jungle World und ihren Geschäftsführer veranlasste, am 3. Juli eine Reise in die süddeutsche Provinz zu unternehmen.
Anlass war vielmehr ein in Frankenthal stattfindendes Gerichtsverfahren, das die österreichische Band »Der Blutharsch« gegen den Verlag und den Autor Ivo Bozic angestrengt hatte. Letztgenannter hatte in einer Reportage über Nazis in Israel (
Jungle World 13/07) die umstrittene Band, deren geplanter
Auftritt in Tel Aviv 2004 im letzten Moment abgesagt worden war, als »Neonazi-Band« bezeichnet. Dagegen hatte die Band bzw. ihr einziges öffentlich bekanntes und ständiges Mitglied, Albin Julius, die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert, was von Verlag und Autor jedoch verweigert wurde.
Albin hatte geltend gemacht, dass er sich seit Jahren immer wieder von dem Vorwurf, extremes Gedankengut zu verbreiten, öffentlich distanziert habe. Bei der Gruppe handle es sich um ein »unpolitisches Projekt«, dessen Musik sich inhaltlich »mit dem frühen 20. Jahrhundert und dementsprechend auch mit beiden Weltkriegen, welche diese Epoche überschatteten«, beschäftige. Die
Jungle World blieb bei ihrem Standpunkt. Rechtsanwalt Thomas Moritz argumentierte, dass weder von einer Schmähkritik die Rede sein könne, noch sei die Distanzierung der Band von der rechten Szene angesichts ihrer Selbstdarstellung glaubwürdig.
Das inzwischen rechtskräftig gewordene Urteil hat dieser Argumentation nun in allen Punkten Recht gegeben. Die Band als »Neonazi-Band« zu bezeichnen, sei ein von der Meinungsfreiheit geschütztes Werturteil. Dem Autor wird bestätigt, dass man ihm weder eine Verletzung der presserechtlichen Sorgfaltspflicht noch eine Verletzung der Recherchepflicht unterstellen könne. Außerdem, heißt es im Urteil, »drängt sich für jeden unbedarften Beobachter aufgrund des gesamten Auftretens und Verhaltens der Band ›Der Blutharsch‹ der Verdacht auf, es handele sich um eine Band aus diesem Milieu«. Die Richter verweisen unter anderem auf die Auftritte der Band in »national-sozialistisch kodierten Uniformen unter Verwendung von Zeichen aus dieser Zeit«. Die Musiker standen mit Scheitel, schwarzer Krawatte und weißen Hemden auf der Bühne. In den neunziger Jahren war die »Sig-Rune« (
Bild) das Logo der Band, später das Eiserne Kreuz. »Wer sich so nach außen in eine bestimmte politische Richtung präsentiert (…), muss sich einer kritischen und polemischen Würdigung seines öffentlichen Wirkens stellen«, heißt es im Urteil.
Die Musik der Band »Der Blutharsch« wird bei Wikipedia als »Military Pop« bezeichnet, »eine Mischung aus Fragmenten von alten Märschen, Neofolk-Elementen, Industrial-Anleihen und elektronischen Samples«. Albin Julius hat in der Vergangenheit mit der ebenfalls politisch umstrittenen Band »
Death in June« kooperiert, sein eigenes Label nennt sich: »Wir kapitulieren niemals!«. Antifaschistische Gruppen haben immer wieder gegen Auftritte der Band protestiert, die Kampagne »
Turn it Down!«, die sich gegen Rechtsrock engagiert, hat sich ebenfalls ausführlich mit der Band beschäftigt.
Die Richter schreiben nun in ihrem Urteil: »Das Gericht selbst hat im Internet unter Google recherchiert und ist zu den gleichen Erkenntnissen gelangt wie die Verfügungsbeklagten (die
Jungle World, d. A.)«. Der
Jungle-World-Autor legt jedoch Wert darauf, seine Erkenntnisse nicht allein auf Google zu stützen.
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So weit der Artikel. Mein persönlicher Dank geht an den Anwalt, unsere mutige Geschäftsführung und an unseren emsigen Praktikanten und die Kollegen und Antifas, die uns bei der Recherche unterstützt haben!
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