Montag, August 06, 2007

»Es gäbe ein Blutbad ohnegleichen«
Warum der irakische Kommunist Rashid Ghewielib die Forderung nach einem Sofortabzug der Besatzer für unverantwortlich hält

Interessantes Interview mit dem irakischen Kommunisten Rashid Ghewielib im Neuen Deutschland

Auszüge:

(...)Eine Differenzierung innerhalb des bewaffneten Widerstandes, den Sie als terroristisch bezeichnen, wollen Sie nicht machen?

Nein. Schon deshalb nicht, weil diese angeblichen Widerstandskämpfer selbst keinerlei Differenzierung bei ihrem wahllosen Töten vornehmen. Besatzer, Zivilisten, Frauen, Kinder – der Terror macht vor Niemandem Halt. Diesen Leuten geht es nicht im Geringsten um Irak oder um die Interessen des irakischen Volkes. Das Al-Qaida-Netz hat Irak als einen zentralen Austragungsort für seinen globalen Terrorkrieg erkoren. Und den früheren Saddam-Getreuen, den Exfunktionären der Baath-Partei sowie ähnlichen Nutznießern des gestürzten Regimes geht es nicht um das Ende der Besatzung, sondern um einen möglichst großen Anteil an der Macht und um die Sicherung neuer Pfründen.

Die IKP beteiligte sich bereits direkt nach der Invasion an dem von der Besatzungsmacht etablierten provisorischen Regierungsrat. Auch die jetzige Regierung ist wohl eher eine von Gnaden der Okkupanten, in der der Einfluss Ihrer Partei auf die Machtverhältnisse bestenfalls marginal ist. Ist Teilnahme für Sie alles?
(…) Inzwischen haben wir immerhin eine aus demokratischen Wahlen hervorgegangene Regierung. Die natürlich durch die Besatzungsorgane und -truppen in ihrem Handeln eingeschränkt ist. Allerdings, und das darf man nicht vergessen, ist diese Besatzung durch UNO-Beschlüsse legitimiert. Und was wäre denn die Alternative? Der Terror des sogenannten Widerstandes von Al Qaida und anderer Gewalttäter? (...)

Der UNO-Sicherheitsrat will das Mandat der USA-geführten Koalitionstruppen weiter verlängern. Und zwar auf Bitte der Regierung in Bagdad. Offenbar entspricht das auch der Position der IKP.

Natürlich sind wir dafür, dass die Besatzer eher heute als morgen das Land verlassen. Aber aufgrund der prekären Sicherheitslage in Irak haben wir auf unserem jüngsten Parteitag erklärt, dass ein solcher Abzug nicht sofort erfolgen kann, sondern eines Zeitplanes bedarf. Und parallel zu diesem Plan müssen Armee, Polizei und andere Sicherheitskräfte in einer solchen Weise aufgebaut werden, dass der Staat seine Interessen selbst souverän sichern kann. Man muss das ganz klar sagen: Die Forderung nach einem sofortigen Abzug ist verantwortungslos gegenüber den Menschen in diesem Land. Die Terroristen sähen sich von heute auf morgen keiner wirksam organisierten militärischen Kraft mehr gegenüber. Die Folge wäre ein Blutbad ohnegleichen, das die jetzigen schrecklichen Zustände weit übertreffen würde.


Fotos: 1. Mai Demo in Baghdad und Basra 2007