Gewalt ist schlimm,doch das Schlimmste hat sie verhindert!
Der Kollege
hat ja Recht: Nur die „friedlichen Globalisierungsgegner“ echauffieren sich über die sicher manchmal etwas aus dem Ruder laufenden, aber alles in allem nicht außergewöhnlich brutalen Re(!)aktionen der Polizei in Rostock (Vermummung weitgehend toleriert, keine Vorkontrollen und nur rund 150 Festnahmen). Der so genannte Schwarze Block nicht. Für ihn wäre es vielmehr ein Flop gewesen, hätte sich die Polizei gar nicht gezeigt, sich dem Spiel verweigert. Wie wenn eine Fußballmannschaft auf den Platz aufläuft, nach monatelanger Vorbereitung, und dann kommt das gegnerische Team nicht aus der Kabine...
Allerdings – man muss die Kirche auch im Dorf lassen - war die Darstellung der Randale durch die gewaltgeilen Medien auch reichlich überzogen. Dieselben, für Fotografen und Kameraleute perfekten Szenen, wurden
von zehn verschiedenen Perspektiven eingefangen und wieder und wieder gezeigt, bis man den Eindruck hatte, ganz Rostock brenne. Die Schäden an öffentlichen Einrichtungen lagen schließlich unter einer Million Euro - und dabei waren nach Rostock professionelle Troublemaker aus aller Welt angereist. So etwas haben in vergangenen Jahren ein paar hundert betrunkene Punks und minderjährige Migrantenkids am 1. Mai in Kreuzberg locker jedes Mal hinbekommen. Nicht den Staat oder die Demokratie hat das jemals in existentielle Nöte gebracht, nur jene, die so gerne statt Krawallbilder „politische Inhalte“ vermitteln wollten.
Und das wird leider meist vergessen zu erwähnen, nämlich was wir der Randale verdanken. Attac, Linkspartei, Grüne, Friedensfuzzis usw. haben es auf den Punkt gebracht: „Die Krawalle haben unser politisches Anliegen (sprich: wahlweise Weltherrschafts-Verschwörungstheorien, Antiamerikanismus, Antizionismus, Nationalismus, Klima-Unsinn usw.)
diskreditiert.“ Ja! In der Tat! Und DAFÜR müssen wir den Stunkmachern eigentlich dankbar sein. Vor den Protesten wurde häufig gewarnt, die Reduzierung auf die Gewaltdebatte verdränge die politischen Inhalte. Nachdem, was man über die Inhalte der Globalisierungsgegner von Lafontaine bis Geißler, von
Bild bis Indymedia so gelesen und gehört hat, kann man feststellen, dass uns mit der Randale das Schlimmste weitgehend erspart blieb, bis jetzt.
Dass sich die „Globalisierungsgegner“ nun aufgeregt von einander distanzieren, ist ein Witz. Das „Bündnis“ war von Anfang an ein Hirngespinst. Es bestand aus drei Fraktionen:
Die eine – Schublade Bob Geldorf -, demonstrierte (das Gegenteil proklamierend) FÜR einen erfolgreichen G8-Gipfel. Claudia Roth hat es bei „extra3“ (NDR) sehr schön demonstriert. Befragt nach ihren
Motiven für den Protest erklärte sie ausführlich, dass sie Druck machen wolle, dass auch ja etwas herauskommt bei dem Gipfel, dass dort nicht nur geredet, sondern dass auch entsprechend gehandelt wird.
Die zweite Fraktion - Schublade
junge Welt, Attac und Palästina-Solikomitees – war tatsächlich gegen das G8-Treffen, in der Meinung, die G8 personifiziere das Böse der Welt und den Kapitalismus an sich, die geheime Weltregierung, gesteuert von den omnipotenten USA, verantwortlich für alles Schlimme, einschließlich des schlechten Wetters, Globalisierung als Angriff auf die nationale, völkische Souveränität – al-Qaida-Denke im Grunde.
Die dritte Fraktion – Schublade Linksradikale - hat der Gipfel eigentlich kaum interessiert. Sie wollte die Gelegenheit des großen linken Schaulaufens dafür nutzen, wahlweise die Anti-Globos und die Öffentlichkeit mit
eigenen Inhalten (z.B. Flüchtlingspolitik oder Präkarisierung im hiesigen Sozialsystem, die beim Gipfel überhaupt kein Thema sind) oder
vor allem mit Kritik (z.B. an der verkürzten Kapitalismuskritik, am antiimperialistischen Antisemitismus) zu konfrontieren – und ist mit diesem im Grunde berechtigten Ansatz trotzdem einfach – in einem eigenen Block, na toll! - mitgelatscht, hinter den Aggro-Antizionisten und allen möglichen anderen Unmöglichen. Geht’s nicht allen irgendwie „ums Ganze“?
Oder eben – und das sind schließlich dann die vor allem erlebnisorientierten aber weitgehend Pali-Tuch-freien
Troublemaker –, um ganz ohne Worte und Ideologie klar zu machen, dass sie schlicht ALLES ankotzt: Die Bullen, der Staat, Attac, Claudia Roth, Lafontaine, die edlen Banketts und
die veganen Volxküchen, das Ansehen der Nation, die Volksgemeinschaft, die Einheit des linken Bündnisses und die ganzen dies- und jenseits des Zauns dahindelirierten Inhalte, das leere Gelaber auf dem Gipfel und auf den Anti-Gipfel-Camps. Die letztlich vor allem eins kaputt gemacht haben: die weitgehend reaktionäre Anti-Gipfel-Projektionsmaschine.
Und so stellt sich für mich, als jemand, der sich die Show ganz bewusst nur aus der Entfernung auf dem Fernsehbildschirm angeschaut hat, und der sich wünscht, dass das alles nur möglichst schnell vorbei geht, schließlich die Frage, ob Bilder eines friedlichen Massenaufmarsches von antizivilisatorischen Hippies,
antizionistischen Friedensfreunden und nationalrevolutionären „Lafontaines“ nicht politisch eindeutig schlimmer gewesen wäre. So, jetzt kommst Du.
Fotos: 1) eine andere Welt ist möglich… 2) Bunter Block: emanzipatorische Alternative zu 3)?