Heute in der Jungle World:
Heidi in der Burka
In der Türkei ist es gängige Praxis, Bücher "islamverträglich" zu übersetzen und eine religiöse Alltagssprache einfließen zu lassen. Von Conny Letsch
Um die Leselust anzukurbeln, veröffentlichte das türkische Bildungsministerium bereits am 15. Juli 2005 eine offizielle Liste der „100 grundlegenden Werke“, die als Leitfaden für Pädagogen und Eltern die Wahl der richtigen Lektüre für den leseunlustigen Nachwuchs erleichtern sollte. Doch der gute Vorsatz des Ministeriums entpuppte sich als problematisch: Das Projekt wird nun in der Türkei nicht nur teilweise heftig als »pädagogisch völlig wertlos« und absurd kritisiert, das Ministerium sieht sich außerdem mit dem Vorwurf der islamistischen Propaganda konfrontiert.
Da die meisten Autoren der Bücher auf der Liste seit über 70 Jahren tot sind, fallen ihre Werke nicht mehr unter das Urheberrecht. Dies wiederum lässt den Verlagen die Freiheit, Bücher in eigenen Übersetzungen herauszugeben oder Texte nach eigenen, ökonomisch oder ideologisch motivierten Entscheidungen zu verändern, sie zu kürzen oder ihnen neue Wörter, Zeilen oder ganze Seiten hinzuzufügen.
Journalisten der linksliberalen Tageszeitung Radikal fanden, in Anlehnung an Arbeiten von Übersetzungswissenschaftlern verschiedener Istanbuler Universitäten, Ende August heraus, dass ein großer Teil der Bücher, die das Prädikat „vom Bildungsministerium empfohlen“ tragen, nicht nur massiv verändert wurden, sondern auch, zum Teil erhebliche, ideologische Züge tragen.
In allen diesen Büchern, so zum Beispiel „Heidi“, „Pinocchio“, „Robinson Crusoe“ oder „Der glückliche Prinz“ von Oscar Wilde, finde sich ein inflationärer Gebrauch religiöser Alltagssprache gläubiger Muslime, der unter anderem bei Begrüßungen oder Bekundungen von Dank oder Erstaunen zum Ausdruck kommt, so das Ergebnis der Untersuchung.
Im Vorwort der Ausgabe von „Pinocchio“ wird sogar unterstrichen, dass die im Buch beschriebene Geschichte vom islamischen Glauben abweiche und „nur Allah durch seinen Atem Holzpuppen zum Leben erwecken kann“. weiter….
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