Happy Birthday Punk
Zukunft ist etwas für Loser!
Von Ivo Bozic
"Zukunft wagen!“ Diese vermeintlich tapfere Forderung wird einem regelmäßig um die Ohren gehauen – von Memmen. Zukunft ist etwas für Feiglinge, für Loser, die keine Gegenwart haben und nichts, worauf sie zurückblicken können. Wer mit dem Heute nichts anzufangen weiß, macht Pläne für morgen. Wer keine Geschichte hat, will wenigstens eine Perspektive haben. „Zukunftsfähigkeit“, solche Worte denken sich Menschen aus, die vollkommen gegenwartsunfähig sind. Man muss doch ein Ziel im Leben haben, behaupten sie, weil das Leben, das sie gerade führen, offenbar so gar nicht als Rechtfertigung ihres Daseins taugt.
Ach, es ist immer wieder tragisch, Leute ihre Pläne schmieden zu hören; wie sie mit einem seligen Lächeln von dem schwärmen, was sie erreichen wollen, eines Tages; und unter welcher fabelhaften Ideologie oder Moral sich das alles zu einem Ganzen zusammenfüge. Ihre Existenz muss derart beschämend sein, dass sie zumindest noch einmal mit einer Weltreise, einem Pokal, einem Nachkommen oder einer bestimmten Karrierestufe geschmückt werden muss. Diese armen Wichte haben ansonsten verdammt noch mal keine Ahnung, was am Ende auf ihrem Grabstein stehen soll.
Punk ist mehr als Musik, Punk ist ein Lebensgefühl, heißt es immer wieder so schön – oder gar eine Lebenseinstellung. Gut, aber welche? Punk hat es auf den Punkt gebracht: „No Future!“ Und damit ist - von dem Sex-Pistol-Song einmal abstrahiert - keine apokalyptische Untergangsvision gemeint, nicht der saure Regen oder der Atomtod. Es meint auch nicht, dass die Zukunft egal wäre, dass man keine Visionen haben soll, dass es irrelevant wäre, was morgen oder im nächsten Jahr passiert. Dieser Spruch bringt vielmehr zum Ausdruck, was das einzige ist, das im Leben gewiss ist, und worum es also letztlich geht: um das Jetzt und Hier, um die Hingabe an das Heute. Denn was bleibt jenen Menschen mit all ihren tollen Plänen, wenn ihnen morgen der Transrapid auf den Kopf fällt oder wenn die Sonne explodiert. So etwas muss man in Erwägung ziehen. Dagegen kann man sich nicht versichern, da hilft weder die Allianz noch der liebe Gott.
„Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter“ – mit dieser Phrase scheinen spirituelle Scharlatane, Hippies, Yuppies und Poesiealben-Autoren das Punk-Ideal aufzunehmen, in Wirklichkeit aber desavouieren sie es komplett. Denn diese gut gemeinte Botschaft nährt in besonderem Maße den Gedanken, das Leben müsse einen Zweck haben, ein Ziel verfolgen; es gelte, irgendetwas ganz Bestimmtes zu erreichen, und man müsse daher alles tun, um diesem phantastischen Vorhaben möglichst schon heute so nahe wie möglich zu kommen, nach dem Motto: Haus bauen, Baum pflanzen, Kind zeugen – worauf wartest du? Morgen könnte es zu spät sein. Das ist nicht Zukunftsverweigerung, das ist die perfideste, calvinistischs¬te Ausprägung des „Projekts Zukunft“.
Dürfen Punks also kein Haus bauen, keine Bäume pflanzen und keine Kinder zeugen, um Punks zu bleiben? Doch, sicher! Nicht Assimilation ans Bürgertum macht den Punk zum Bürger, sondern die geplante Assimilation. Man kann Banker sein und trotzdem Punk, aber man darf keine Bankkaufmanns¬lehre gemacht haben. Man kann als Punk eine Bankkaufmannslehre machen, aber nicht, um später Banker zu werden. Punk heißt, sich auf das Leben einzulassen und auch bereit zu sein, die Konsequenzen zu tragen. Mit Politik hat das nichts zu tun? Richtig, behauptet das etwa jemand? Ein beliebtes Symbol im Punkrock ist der Würfel. Das Leben als Spiel, als Glücksspiel.
Ganz sicher kein Punk ist Herbert Grönemeyer. Obwohl der Refrain seines Liedes „Keine Garantie“ so geht: „Es gibt für nichts ’ne Garantie, es gibt nur jetzt oder nie, oder verdammt in Ewigkeit“. Das ist Punk. Da ist kein Platz für Gott und Staat und Ideologie. Sein Song „Jetzt oder nie“ hingegen, der diese Einstellung zu untermauern scheint, zerpflückt sie in Wirklichkeit: „Jetzt oder nie – wascht Ihr nur Eure Autos“. Da ist von der Hingabe ans Heute nur noch das protestantische „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf mor¬gen“ übrig geblieben. Wir hätten doch heute Wichtigeres zu tun, als unsere Autos zu waschen, meint Grönemeyer. So ein Quatsch! Der Punk wäscht heute sein Auto, und zwar mit ganzer Leidenschaft, wenn es ihm heute ein Anliegen ist. Wenn es ihm kein Anliegen ist, und morgen auch nicht, dann wird er es einfach gar nicht waschen, so einfach ist das.
Was das alles mit den Sex Pistols zu tun hat und Anarcho-Buttons auf Lederjacken? Gar nichts. Aber hat nicht jemand gesagt, es ginge hier um eine Lebenseinstellung?
Aus der aktuellen Jungle World
2 Comments:
stimmt, aber leider habe ich nur das bild im i-net gefunden, besitzen tue ich sie nicht....:-(
Deinen Artikel über Punks finde ich super. Ich selber bin kein Punk und muss erlich gestehen, dass ich von Punks und deren Einstellungen einen völlig falschen Eindruch hatte. Wenn ihr wierklich jeden TAg lebt als wäre es der letzte, kann ich eure Lebensidee nur unterstützen. Ich habe nur neulich gelsen, dass ein Punk viel über alles und JEDEN nachdenkt....heißt dass, dass ihr euch dann eine feste Menung über diesen jemand bildet und ihn nun völlig zu kennen meint? Oder respektiert ihr einfach, dass dieser jemand anders ist und er sich auch noch wandeln kann? Ich meine, wie seht ihr den in Anführungsstrichen, normalen Menschen?
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