Hamas in den Bundestag!
Ja, genau das plant die Linkspartei. Zu einer „Nahost-Konferenz“ vom 3. bis 5. November in Berlin haben die Bundestagsfraktion der Linkspartei und die Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht nur den unvermeidlichen Uri Avnery eingeladen, den sowieso, klar, sondern auch den Regierungssprecher der Hamas, Ghazi Hamad, dem man wie allen internationalen Gäste auch das deutsche Parlament zeigen möchte. Norman Paech moderiert das bizarre Treffen im Bundestag. Ob man den Sicherheitsleuten im „Reichstagsgebäude“ mal Bescheid geben sollte?
Außerdem eingeladen sind u.a.: Gershon Baskin (IPCRI), Yosif Ben Bassat (Meretz), Yossi Beilin (Vorsitzender Meretz), Daniel Levy (Genfer Friedensinitiative), Dov Khenin (Chadash), Abdullah Abdullah (PLC), Bassam Al-Salhi (PPP), Qaddoura Fares (Fatah), (Abdallah Frangi, Fatah-Leiter Gaza), Fouad Hallak, (PLO), Khalida Jarrar (PFLP), Wassim Khazmo (PLO).
Na dann wünsche ich ein schönes Beisammensein!
Aber man soll ja nicht immer nur das Schlechte sehen. Tatsächlich regt sich in der Linkspartei zunehmend Unmut über die antiisraelische Parteilinie, vorsichtig und zum Teil reichlich halbherzig, aber immerhin. Es könnte spannend werden…
Dazu ein Artikel aus der Mittwoch erscheinenden Jungle World:
Hamas im Bundestag
Nach den antiisraelischen Stellungnahmen während des Libanon-Kriegs und einer Einladung an die Hamas regt sich vorsichtig Widerspruch in der Linkspartei. von Ivo Bozic
Den Antizionismus verwerfen und eine grundsätzliche Kritik am Antiimperialismus formulieren! Mit solchen Forderungen sorgt Katja Kipping, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, derzeit für etwas Verwirrung in ihrer Partei. Kipping reagierte mit einem Positionspapier auf die zuweilen unverhohlen antiisraelischen Stellungnahmen von Parteikollegen und deren Sympathiebekundungen mit der islamistischen Terrormiliz Hizbollah während des Krieges im Libanon.
Am 12. August marschierten in Berlin über 2000 Menschen gegen Israel auf. „Friedensdemonstration“ nannte sich das, aus dem Lautersprecherwagen ertönten Parolen wie: „Wir sind alle Hizbollah!“, „Hizbollah bis zum Sieg!“ und „Kein Platz für Israel!“ In der ersten Reihe schritt selig lächelnd Wolfgang Gehrcke, Bundestagsabgeordneter und Vorstandsmitglied der Linkspartei. Der Bundesvorstand hatte zur Teilnahme an der Demonstration aufgerufen. Angemeldet hatte sie Nabil Rachid, ein palästinensischer Aktivist, der auf seiner Homepage Reden des Londoner Islamismus-Sympathisanten George Galloway veröffentlicht und sich akribisch darum bemüht nachzuweisen, dass Israel ein „Apartheidstaat“ sei. Bei der letzten Bundestagswahl kandidierte er – erfolglos – in Berlin-Neukölln für die Linkspartei.
Auch die Partner von der Wasg hatten zu der Demonstration aufgerufen. Ihr Vorstandsmitglied Christine Buchholz erklärte: „Die Dämonisierung der Hizbollah ist Teil der ideologischen Kriegsführung. Die Linke sollte dabei nicht mitmachen.“
Doch die Beteiligung der Linkspartei an jener Demonstration war nicht unumstritten. Während der Bundesvorstand zur Teilnahme aufrief, verweigerten sich der Berliner Landesverband und die Abgeordnetenhausfraktion einem solchen Ansinnen. Axel Hildebrandt, der Sprecher des Landesverbands, erklärte im Vorfeld, an einer „Lobhudelei der Hizbollah“ werde man sich nicht beteiligen. Und die Berliner Abgeordnete Marion Seelig kritisierte: „Den Pro-Hizbollah-Demos der letzten Wochen haben wir uns nicht angeschlossen. Auf einer Friedensdemonstration, an der wir teilnehmen, darf nicht die Vernichtung Israels gefordert werden.“ Kritik hatte es parteiintern vor allem am Auftritt der Tübinger Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel gegeben, die bei einer anderen Kundgebung von einem „Vernichtungskrieg“ Israels gesprochen haben soll, was sie allerdings bestreitet.
Dass im Berliner Landesverband der Linkspartei die Sensibilität beim Thema Naher Osten größer ist als in anderen Parteigliederungen, zeigt auch die Ablehnung der antiisraelischen Al-Quds-Demo am Samstag. Neben Marion Seelig hatten auch die Berliner Abgeordneten Evrim Baba, Udo Wolf und Steffen Zillich sowie die Vizepräsidentin des Bundestags, Petra Pau, den Aufruf zur Gegenkundgebung unterzeichnet.
Noch deutlicher wurde der Lichtenberger Bezirksverordnete Michael Grunst, der in mehreren Briefen an Gehrcke, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi, die „antiisraelischen Positionen“ in der Linkspartei kritisierte und Gehrcke vorhielt: „Für eure antiisraelischen Stellungnahmen habe ich kein Verständnis!“ Gehrcke hatte zuvor zusammen mit den Bundestagsabgeordneten Monika Knoche und Norman Peach – der unter anderem die Meinung vertritt, der Boykott der Hamas sei „ein Verbrechen“ – ein Papier verfasst, das die Schlussfolgerung enthält: „Der Schlüssel für die Befriedung der Region liegt in der Lösung der Palästina-Fragen, also in den Händen der israelischen Regierung.“ Diese Sätze hatten bei Grunst „große Besorgnis ausgelöst“.
Auch in Sachsen widersetzt sich eine kleine kritische Minderheit der antizionistischen Parteilinie. Drei junge Parteimitglieder aus Leipzig schrieben im August einen Offenen Brief an die Bundestagsfraktion, in dem sie diese aufforderten, sich „nicht mit terroristischen Vereinigungen wie Hamas und Hizbollah zu treffen“. Sie verlangten eine „Solidarisierung mit Israel einerseits, und die Entsolidarisierung von religiösen, fundamentalistischen (Volks-) Befreiungsbewegungen andererseits“.
Aus der Bundestagsfraktion schloss sich der sächsische Abgeordnete Michael Leutert der Kritik an. Die Linksfraktion erwecke den Eindruck, „wir seien solidarisch mit Hamas und Hizbollah, anstatt ganz klar unsere Solidarität mit Israel in den Mittelpunkt zu stellen“. Jan Korte, der Mitglied des Parteivorstands ist, sagte der Jungle World, so langsam entwickle sich eine Debatte in der Linkspartei, wenngleich die Kritik am Antiimperialismus „alles andere als mehrheitsfähig“ sei. Schnell werde man als „Antideutscher“ abgestempelt. Es komme jetzt darauf an, die angefangene Diskussion zu organisieren.
Leutert ist da pessimistischer: „Es gibt eine Diskussion, das ist schon mal schön, aber unter einer Debatte verstehe ich etwas anderes.“ Eine offene Aussprache über die Beteiligung von PDS-Politikern an antiisraelischen Demonstrationen etwa habe nie stattgefunden. Er sei überrascht, dass das Papier von Katja Kipping, in dem sie mit dem Antizionismus abrechnet, für so wenig Furore gesorgt habe. „Ich werbe in der Fraktion und überhaupt in der Linken um ein Verständnis für das Sicherheitsinteresse Israels und der israelischen Bevölkerung. Aber für diese Position finden sich nicht viele Unterstützer“, sagt Leutert. Stattdessen pflegten viele in der Partei immer noch eine antiimperialistisch motivierte „undifferenzierte Solidarität mit jedem, der eine Knarre in der Hand hält und nach Solidarität ruft“.
Die ehemalige ARD-Journalistin Luc Jochimsen, die für die Linkspartei ein Bundestagsmandat ausübt, sagte, sie habe Kippings Papier mit „größter Bewunderung“ gelesen. Kipping sei mit diesem Beitrag „etwas Fantastisches gelungen“, die Debatte sei „überfällig“. Sie gehe davon aus, dass das Papier, das in der vergangenen Woche den Fraktionsunterlagen aller Abgeordneten beigelegen habe, demnächst auf einer Fraktionssitzung besprochen werde.
Kippings Papier mit dem Titel „Für einen linken Zugang zum Nahost-Konflikt jenseits von Antizionismus und antideutscher Zuspitzung“ beschreibt Antizionismus und Antiimperialismus auch als historisches Problem der Linken und versucht eine positive Bezugnahme auf „linken Zionismus“. Das ist in der Partei offenbar nicht zu machen ohne eine penetrante Abgrenzung gegenüber „Antideutschen“ und eine jedem einzelnen Absatz aufgepfropfte Relativierung der eigenen Kritik. Dennoch ein bemerkenswerter Schritt. Denn Katja Kipping gilt als Politikerin mit Zukunft in der Partei. Sogar als künftige Parteivorsitzende wird sie gehandelt.
Die 28jährige Dresdnerin gehört auch zu den Initiatoren der „Emanzipatorischen Linken“ (Jungle World, 42/06), eines Kreises, der neben der vom Berliner Landesverband geprägten „Reformlinken“, nach Ansicht Jan Kortes, die Strömung ist, in der es am ehesten Raum für Debatten über linken Antiamerikanismus und Antizionismus gebe.
Kipping erklärte, dass sie auf ihr Papier bisher keine negativen Reaktionen und aus der Basis sogar einigen Zuspruch erfahren habe. Jedoch spiele die Debatte derzeit eine untergeordnete Rolle. Bei der Formulierung der programmatischen Grundsätze im Vereinigungsprozess von Linkspartei und Wasg sei dies kein Thema.
Vermutlich sind sich Akteure beider Seiten des Zündstoffs bewusst, den diese Kontroverse beinhaltet, und dass ihre Meinungen so unvereinbar sind, dass es mit einer Aussprache auf dem nächsten Bundesparteitag nicht getan wäre.
Anlass für einen ordentlichen Streit gäbe es hingegen genug: Zu einer „Nahost-Konferenz“ am 3. November hat die Linkspartei völlig unbeeindruckt von der parteiinternen Kritik u.a. den Hamas-Regierungssprecher Ghazi Hamad nach Berlin und in den Bundestag eingeladen.
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dazu auch dies
und Ulrich Maurers (MdB) Abrechnung mit dem Atheismus, und dem neuen Bündnis der Linken mit den Gläubigen hier
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