Sonntag, Juli 30, 2006

Nachruf auf den Wal Mart
Der Wal Mart war in Deutschland nie beliebt. Zu amerikanisch, zu groß, zu wenig Tante Emma. Dass die US-Kette nun in Deutschland abtritt, wird hierzulande fast wie ein Sieg gefeiert. Doch es waren wohl nicht die unwürdigen Arbeitsbedingungen, die schlechten Löhne, das „Liebes- und Flirtverbot“ für Angestellte, verwehrte Mittagspausen und die totalitäre Corporate Identity, die Wal Mart im Gegensatz zu Tante Emma so unbeliebt gemacht haben. Denn Tante Emma muss, wenn sie Tag für Tag in ihrem Laden steht, wesentlich mehr Corporate Identity mitbringen für ihr Geschäft, das womöglich sogar ihren eigenen Namen trägt, sie hat schlechtere Arbeitsbedingungen und ebenfalls ein mieses Einkommen, vor allem im Verhältnis zu ihrer Arbeitszeit, für einen Urlaub muss sie eine Aushilfskraft anheuern, oder in der Zeit ihrer Abwesenheit schließen, eine Mittagspause bedeutet, den Laden so lange dicht zu machen und auf Umsatz zu verzichten, ein Betriebsrat? Hahaha!, und für Flirts und Liebeleien fehlt in ihrem Kleinstunternehmen schon allein die Gelegenheit.

Alle Kritik an den Arbeitsbedingen bei Wal Mart mögen berechtigt sein, doch die emanzipatorische Alternative – wie einst Udo Jürgens - ausgerechnet im romantisch verklärten – sauteuren - Tante-Emma-Laden, also im klein- und mittelständischen Bereich, zu suchen, zeigt, dass die Kritik nicht ernst gemeint sein kann.

In Wirklichkeit haben Wal Mart und Tante Emma ziemlich viel gemeinsam. Die faktische Alternative heißt ja auch gar nicht Tante Emma, die kommt eh nicht mehr zurück, sondern es sind die boomenden, expandierenden deutschen Discounter Metro, Lidl, Aldi – wo überall ähnlich grausame Arbeitsbedingen herrschen, vielleicht schlimmere, denn beim Wal Mart wurde zumindest regelmäßig bei Betriebsausflügen gemeinsam gegrillt.

Und so stellt sich die Frage, wieso der Wal Mart in den USA und überall auf der Welt von Brasilien bis China unglaubliche Erfolge feiert, während er in Deutschland trotz aggressivster Marktpolitik scheiterte. Wie gesagt, an den Arbeitsbedingungen kann es, siehe Lidl, nicht liegen, an den Preisen auch nicht, die sind spitzenmäßig niedrig. Bei Spiegel-Online wird es so erklärt: „Die deutschen Mitarbeiter werden nach US-Vorbild auf Kundenfreundlichkeit durch Zusammenhalt und Spaß an der Arbeit getrimmt. Aber die amerikanischen Rezepte funktionieren in Deutschland nicht. Kunden fühlen sich vom ‚Begrüßer’ am Eingang eher belästigt.

Und das ist das Problem: Neben dem subtilen Antiamerikanismus, aus dem sich die Aversionen gegen den Wal Mart speisten, will der Deutsche im Laden gar nicht begrüßt und freundlich behandelt werden. Wenn jemand Hallo sagt, fühlt er sich belästigt, wenn ihm jemand die Tüte einpacken will, entmündigt, denn die Tüte einpacken, hey, das ist unser verdammtes Recht, unsere Freiheit, wir wollen die Tüte so einpacken, wie wir wollen, jawoll, und wenn ihn jemand anlächelt, wittert der Deutsche eine Verschwörung gegen ihn. Und das ist auch ein Grund, weshalb Tante Emma keine Chance hatte. Der Deutsche will beim Aldi an der Kasse angeschnauzt werden, und sich beim Lidl die Tasche im Einkaufswagen durchsuchen lassen, er will bei der Metro stundenlang mit seinem Einkaufswagen kontemplativ durch die Regalreihen irren, ohne von freundlichen Mitarbeitern angesprochen zu werden, die ihm womöglich die Position gesuchter Waren mitteilen könnten. Der Deutsche will nicht als Kunde König sein, er ist sauer, dass ihm der Laden nicht gehört.

Lange Rede, kurzer Sinn, ich sach mal, wies ist: Wal Mart ist, so mies er ist, zu gut für Deutschland.

7 Comments:

At 7:14 PM, Blogger Ivo Bozic said...

hm, ja du hast recht, nicht jedes lächeln ist auch so gemeint. und wenn es erzwungen ist, wohl kaum. aber ich muss sagen, dass ich trotzdem lieber höflich (auch wenns ne lüge ist) und freundlich behandelt werde, als wie vom berliner busfahrer...

 
At 8:26 PM, Blogger Unknown said...

Das Scheitern Wal-Marts in D ist "Anti-Amerikanismus". Soso.

Geht's noch blöder, Bozic?

Ganz bestimmt.

:-)

 
At 11:39 PM, Blogger Ivo Bozic said...

leute, ich sach doch nicht, dass der antiamerikanismus schuld ist, dass wal mart in deutschland pleite macht. die deutschen können nur mit höflichkeit, die, wenn auch "gestellt", doch so etwas wie respekt ist, umgehen. darüber hinaus gibt es jedoch antiamerikanische vorurteile, die die geschäftspraxis des wal mart als typisch amerikanisch kennzeichnen, obwohl es in deutschland oder ostasien/japan z.b. in konzernen gar nicht groß anders ist. und eben vor allem nicht im tante-emma-laden-mittelstands-millieu. das wollt ich nur sagen, und naja, ich war halt immer gern beim wal mart... aber ist auch nich so wichtig.

 
At 11:43 PM, Blogger Ivo Bozic said...

äh meinte natürlich: "die deutschen können nur mit höflichkeit, die, wenn auch "gestellt", doch so etwas wie respekt ist, NICHT umgehen."

 
At 2:04 PM, Blogger Elke said...

@hegelxx:

Dein Bruder hat im Halbfinale ja aber durchaus verdient verloren:

"The first semi-final (€ 20,000 winning prize money) saw Luigi Villa beat Andreas Humke (Germany) after he came back from a 14-1/ 23 match to finally win 16-23/23"

 
At 2:12 PM, Blogger Elke said...

@hegelxx:

Hübsches Foto :-)

http://www.nbgf.no/news.shtml?news.20030315.1.nbgf

 
At 11:50 PM, Blogger Ivo Bozic said...

hab ich schon die taz zitiert zum thema wal mart: der totale irrsinn! (link oben im text)

"Kaum ein anderes Unternehmen repräsentiert so die hässlichen Seiten des grenzenloser Kapitalismus wie Wal-Mart. Sein wirtschaftlicher Erfolg gründet sich vor allem auf knallharte Ausbeutungspraktiken, die ihresgleichen suchen...
Das Wettbewerbsrecht stoppte Wal-Mart, als er mit Dumpingpreisen die Konkurrenz auszubluten versuchte." usw.

als ob dumping eine amerikanische erfidung wäre...
und "ihres gleichen suchen" setzt eben voraus, die augen aufzumachen, dann ist es aber ganz einfach....

 

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