Mittwoch, Juni 07, 2006

Eigentor von Aust
Ahmadinejad interviewt den Spiegel
Von Ivo Bozic

Der Spiegel ist ein renommiertes Magazin. Es ist nicht leicht, ein Interview mit ihm zu bekommen. Trotzdem ist es dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad gelungen, ein Treffen mit einem Spiegel-Team rund um den Chefredakteur Stefan Aust zu arrangieren. Gequält winden sich in dem Gespräch die Redakteure unter den bohrenden Fragen des Präsidenten.

Das Magazin resümiert im Nachhinein: »Das Gespräch bekam bald eine eigene Dynamik.« Ja, so kann man es auch sagen. Immerhin »war die Gesprächsatmosphäre durchaus entspannt«, wie der Spiegel berichtet, was daran gelegen haben mag, dass Ahmadinejad den Journalisten keine bösen Absichten unterstellte: »Ich weiß, dass der Spiegel ein renommiertes Magazin ist, aber ich weiß nicht, ob Sie die Möglichkeit haben, die Wahrheit über den Holocaust zu veröffentlichen. Sind Sie befugt, alles darüber zu schreiben?« Der Spiegel versichert: »Ganz sicher sind wir befugt, über die Erkenntnisse der historischen Forschung in den letzten 60 Jahren zu schreiben.« Ahmadinejad lässt sich nicht einlullen: »Warum ist es nicht erlaubt, über eine Tatsache zu forschen, die vor 60 Jahren passiert ist?« So langsam gerät der Spiegel in die Defensive: »Der Holocaust hat stattgefunden, es gab Konzentrationslager, es gibt Akten über die Vernichtung der Juden, es ist viel geforscht worden, und es gibt nicht den geringsten Zweifel am Holocaust und auch nicht an der Tatsache, dass die Deutschen – wir bedauern das sehr – dafür verantwortlich sind.«

Nun versucht der Spiegel das Thema zu wechseln, doch Ahmadinejad hakt nach: »Im Zweiten Weltkrieg sind 60 Millionen Menschen gefallen (…) Warum stehen unter diesen 60 Millionen Opfern nur die Juden im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit?« Die Antwort des Spiegels: »Das ist so nicht der Fall. Alle Völker trauern um die Opfer, die der Zweite Weltkrieg gefordert hat. (…) Doch wir als Deutsche können uns nicht von einer speziellen Schuld freimachen …« Das will der Präsident genau wissen: Weshalb sollte die heutige deutsche Jugend »den Zionisten gegenüber Schuldgefühle haben«? Er weiß, jetzt hat er sie, jetzt fangen sie an zu stammeln: »Das heutige deutsche Volk kann nichts dafür. Aber es gibt eine Art Kollektivscham für jene Taten.«

Ach ja? Und »wie lange, glauben Sie, muss das deutsche Volk die Geisel der Zionisten sein?« Da kann der Spiegel natürlich nicht für alle sprechen. Es ist ja nicht klar, wer wie lange noch Geisel des Zionismus sein wird: »Wir können nur für uns sprechen. Der Spiegel ist niemandes Geisel. (…) Wir stehen im Palästina-Konflikt keineswegs kritiklos auf der Seite Israels.« Schön und gut, aber, fragt Ahmadinejad: »Wo sind die Israelis hergekommen?« Jetzt wird’s akademisch. Der Spiegel: meint: »Wenn wir aufrechnen wollten, woher die Menschen gekommen sind, dann müssten auch die Europäer zurück nach Ostafrika, wo alle Menschen ursprünglich herkommen.«

Nun wundert sich der Präsident aber doch: »Sie sind ein Magazin und keine Regierung. Zu sagen, dass wir die Welt, so wie sie ist, akzeptieren sollen, bedeutet, (…) dass das deutsche Volk noch 1 000 Jahre erniedrigt werden muss. Denken Sie, dies ist die richtige Logik?« Eine Fangfrage, Achtung! Reingefallen! Der Spiegel: »Nein, die richtige Logik ist es nicht, und es trifft auch nicht zu. Die Deutschen haben in der Entwicklung der Nachkriegszeit eine bescheidene, aber wichtige Rolle in der Welt gespielt, sie fühlen sich nicht seit 1945 erniedrigt und entwürdigt. Dafür sind wir zu selbstbewusst.«

Immerhin war der Spiegel so selbstbewusst, dieses »Interview« abzudrucken.

Aus der aktuellen Jungle World

1 Comments:

At 6:43 PM, Blogger Franklin D. Rosenfeld said...

Sehr schöner Beitrag. Noch schöner wäre der Post mit Quellenangabe des Fotos:

http://spiritofentebbe.blogspot.com/2005/12/new-herzl.html

 

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