Zweistaatenlösung ohne Palästinenserstaat?
Gar nicht erfreut ist die Hamas über ein von Palästinenserpräsident Abbas in Form eines Ultimatums angekündigte Referendum über eine Zweistaatenlösung. „Unnötige Geldverschwendung“ zeterte Hamas-Führer Mahmud Zahhar, und sorgte sich dabei sicher nicht in erster Linie um das liebe Geld, das ohnehin nicht seins ist. Nein, eine Zweistaatenlösung lehnt die Hamas ab, weil sie einer Anerkennung Israels entgegenstünde.
Das allein ist für viele ein Grund, für eine Zweistaatenlösung zu sein. Es klingt ja auch so nett und versöhnlich: Jeder soll seinen eigenen Staat haben, damit dann Ruhe herrscht im Sandkasten. Gerecht teilen, aufhören zu streiten – das versucht man ja schon den Kindern beizubringen.
Israel hat sich schon lange für eine solche Lösung ausgesprochen. Aus dem schlichten Grund, dass das Land nichts dringender benötigt als Frieden, und weil man sich durch die Gründung eines palästinensischen Staates einen solchen erhofft. Auch Abbas und die Mehrheit der Palästinenser scheinen dafür zu sein, der Plan von Abbas für ein Referendum scheint dies ebenfalls zu bestätigen. Auch wenn es nicht, wie die NZZ fälschlicherweise behauptete, um „die Gründung eines Staates in den Grenzen von 1967“ geht, weil damals gar kein palästinensischer Staat existierte, sondern um die Gründung eines palästinensischen Staates neben den Grenzen Israels von 1967.
Aber Abbas’ Plan ist mehr als das Ergebnis eines Machtkampfs mit der Hamas. Es ist auch ein politischer Schachzug gegenüber Israel. Mit der von Israels Ministerpräsident Olmert angekündigten einseitigen Grenzziehung müsste sich die palästinensische Seite wohl endgültig mit der dann vorgegebenen Grenzlinie abfinden, und dass die nicht genau entlang der Grünen Linie, also der Waffenstillstandslinie von 1967, verlaufen wird, hat Olmert bereits angekündigt. Zu große Einschnitte in das Territorium der Westbank gelten jedoch in palästinensischen Kreisen als das Aus für einen überlebensfähigen eigenständigen Staat.
In Israel hingegen gibt es starke Bedenken, gegen einen palästinensischen Staat, der sich genau an der Grünen Linie entlang erstreckt. Nicht nur wegen der kaum zu verlegenden großen Siedlungsblöcke wie Ariel, die im Grunde richtige Städte sind, sondern auch aus militär-strategischer Sicht.
Neulich waren israelische Militärstrategen in Berlin zu Gast. Der ehemalige UN-Botschafter Israels, Dore Gold, der ehemalige Chef des israelischen Geheimdienstes, Generalmajor Yaacov Amidror, und der ehemalige Generalstaatsschef der IDF, Moshe Ya’alon, (Bild) referierten im Hotel Adlon zu der Frage, was denn die viel beschworenen und von US-Präsident Bush geforderten „verteidigungsfähigen Grenzen“ für Israel konkret bedeuten. Amidror hat bereits mehrfach geäußert, dass Israel in den Grenzen von 1967 seine Fähigkeit verliere, sich selbst zu verteidigen.
Auch Ya’alon begründete, weshalb er einem Abzug Israels aus der Westbank und damit dem Konvergenzplan Olmerts ablehnend gegenübersteht. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war die sicher nicht in Frage zu stellende, historisch begründete Annahme, dass Israel ein Recht haben müsse, sich selbst zu verteidigen, unabhängig von der Gunst Dritter. Ein Abzug aus der Westbank aber, so Ya’alon, stelle diese Verteidigungsfähigkeit in Frage.
Dies begründete er mit militärisch-strategischen Argumenten, die sicherlich nicht der Ausgangspunkt für eine Lösung des Nahostkonflikts sein können, die jedoch veranschaulichen, warum und aus welchen Beweggründen es gegen einen Abzug aus der Westbank einigen Widerstand im israelischen Apparat gibt, und sicherlich noch geben wird.
Vor allem drei militärische Probleme erläuterte Ya’alon: Zum einen die geringe Größe des israelischen Staates. An der engsten Stelle verläuft die Grüne Linie gerade mal 15 Kilometer von der Meeresküste im Westen entfernt. Bei einem Angriff wäre Israel an dieser „Taille“ im Handumdrehen in zwei Teile zu „zerschneiden“, und das mitten im dicht besiedelsten Gebiet des Staates. (Karte links) In dem Küstenstreifen westlich des Westjordanlandes leben 70 Prozent der israelischen Bevölkerung und es befinden sich dort 80 Prozent der Produktionsstätten. Die geringe territoriale Größe Israels bedeute auch, dass es im Falle eines Angriffs vom Westjordanland aus kaum Zeit und Raum für die Planung eines Gegenschlags gebe.
Als zweites, damit zusammenhängendes Argument nannte Ya’alon die Nähe wichtiger israelischer Zentren, Städte und militärischer Einrichtungen zur Grünen Linie. Auch Tel Aviv, der Ben Gurion Flughafen und wichtige militärische Einrichtungen befänden sich in Reichweite einfacher Katjuscha-Raketen (Karte rechts), und dass mit einem solchen Beschuss gerechnet werden müsse, zeige die Tatsache, dass seit dem Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen von dort bereits 500 Kurzstreckenraketen abgefeuert worden seien.
Das dritte militärisch-strategische Argument Ya’alons bezog sich auf die topografische Lage. Weil die Westbank im Wesentlichen aus einer Hügelkette besteht, die über dem israelischen Küstenstreifen thront, sei eine Verteidigung von Unten sehr schwierig. Außerdem verlöre Israel mit der Kontrolle über das tief eingeschnittene Jordantal eine natürliche Abwehrsperre nach Osten, die derzeit, solange von Israel kontrolliert, auch ein natürliches Hindernis für Waffenschmuggler und Terroristen aus Jordanien darstelle. Die Jordansenke (Karte links) könnte sogar zum zentralen Streitpunkt bezüglich des Westbank-Abzugs werden. Nicht nur israelische Militärs wollen das Gebiet im Osten der Westbank nicht aufgeben, auch Jordaniens König Abdullah will keine gemeinsame Grenze seines Landes mit einem palästinensischen Staat.
Die Überlegungen der drei Referenten zu „verteidigungsfähigen Grenzen“ sind übrigens auch im Netz nachzulesen: hier
Obwohl es also auf israelischer wie palästinensischer Seite Mehrheiten für eine Zweistaatenlösung gibt, und die "internationale Gemeinschaft" sich sowieso nichts sehnlicher wünscht, als dass die Streithähne endlich ihre Nickligkeiten beenden, gibt es auf der anderen Seite durchaus starke Gegner einer solchen Zweistaatenlösung. Auch mit Olmerts Konvergenzplan und Abbas’ Referendum ist eine solche Lösung also noch lange nicht in greifbarer Nähe.
Und tatsächlich stellt sich die Frage, ob die Gründung eines palästinensischen Staates wirklich Frieden bringt. Doch welchen Grund sollte eine solche Staatengründung sonst haben? Ein besseres Leben für die Palästinenser? Das wäre in der Tat sehr dringlich und wünschenswert. Doch wenn es darum geht, bietet sich da nicht eine andere Zweistaatenlösung viel eher an?! Eine, bei der die beiden Staaten Israel und Jordanien heißen. Immerhin hat Israel die Westbank nicht den Palästinensern, sondern den Jordaniern entrissen. Nun weigert sich Jordanien allerdings beharrlich die Westbank zurückzunehmen. Trotzdem wäre der jordanische Staat im Gegensatz zur Fatah oder Hamas eine Autorität, die vielleicht Sicherheit garantieren könnte, und immerhin einen Friedensvertrag mit Israel unterhält. Diese Lösung wäre nicht nur für Israel die bessere, sondern auch für die Palästinenser, die egal wie die Grenze schließlich genau verlaufen wird, es nie und nimmer schaffen werden, einen unabhängigen funktionierenden Staat mit dem dazugehörigen Gemeinwesen und ökonomischer Autonomie auf diesem Stück karge, steinige Wüste, die man Westbank nennt, aufzubauen.
Zudem stellen Palästinenser heute schon die Hälfte der jordanischen Bevölkerung. Eine Grenze würde wegfallen, nicht eine neue geschaffen. Die aktuelle Situation in Jordanien soll nicht beschönigt werden, aber Jordanien hätte die wirtschaftlichen Möglichkeiten auch für die Palästinenser in der Westbank menschenwürdige Lebensbedingungen zu schaffen, und es würde die Palästinenser nicht unter die Herrschaft islamischer Fundamentalisten à la Hamas zwingen. Und letztlich wäre die Lösung im Sinne aller, denn wer kann schon ein Interesse daran haben, dass sich in Gaza/Westbank ein islamistischer Gottesstaat mit jederzeit terroristischer Sprengkraft bildet.
Natürlich ist eine solche Zweistaatenlösung ohne palästinensischen Staat chancenlos. Jordanien sperrt sich, und die palästinensischen Autoritäten erst recht. Warum eigentlich? Weil sie weniger für eine gutes Leben kämpfen, als gegen die Existenz Israels und weil sie meinen, ein nationales Recht auf einen Nationalstaat zu haben. Beides Motive, die aus linker Sicht nicht wirklich tolerierbar sind. Wenn es um palästinensische Interessen geht, dann kann es doch nur darum gehen, wie diese armen Schlucker zu einem besseren Leben kommen. Ob über einer halbwegs zivilisierten, sozial gerechteren und einigermaßen friedlichen Gesellschaft, wie wir sie für die Palästinenser erhoffen wollen, letztlich die palästinensische oder die eh fast identische jordanische Fahne weht, wen juckt das?
Es wird in den nächsten Monaten wieder viel um die Zweistaatenlösung gehen. Es gibt wie dargestellt, diverse Interessen auf beiden Seiten, die dagegen stehen – aber, und das sollte nicht vergessen werden, es besteht auch kein Grund zu glauben, dass es keine Alternative dazu gäbe.
So, jetzt kommst Du!
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