Montag, Juni 12, 2006

Schrecklich nette Familien
Die Deutschen sterben aus! Das klingt ja erstmal gut. Doch sobald man sich freut, ruft jemand: Aber die Volkswirtschaft! Ja wat denn? Die Volkswirtschaft soll sich freuen: weniger Kinder = weniger Arbeitslose. Und mal nachhaltig (!) gedacht, heißt das auch: weniger Kinder = weniger Rentner. Demografie ist eben, was man draus macht. (Das gilt auch andernorts übrigens...)

Die Unternehmer sehen das wie die CDU: Was brauchen wir den Staat, wenn es Familien gibt? "Für uns gibt es nur einen Ausweg aus der demografischen Sackgasse: Die Wiederherstellung der Selbstverantwortlichkeit und des Ansehens der Familie sowie die Rückgabe der Mittel an die Familien, um sie zur Lösung ihrer Funktionen wieder zu befähigen", meint die Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer. Weniger Staat, mehr Familie (wahlweise Kommune) - das sagen andere (Bild) doch schon immer! Und das würde der muslimische Gemüsemann an der Ecke auch unterschreiben.

Am Mittwoch erscheint die Jungle World mit dem Schwerpunkt Familienpolitik. Die Debatte läuft zwar schon eine Weile, doch weil der Zuspruch zu der Kolumnen-Serie „Happy Familiy“ (hier, hier, hier, hier und hier) ungebrochen groß ist, und ständig neue Studien veröffentlich werden, wollen wir uns des Themas doch noch mal etwas genauer annehmen.

Von Georg Seeßlen gibt es Sätze zu lesen wie: „Die Familie versammelte sich einst um den Quelle-Katalog, dann um den Fernseher, und nun um Steuerbescheid und Schuldenberatung.“ Und zum Thema "Vätermonate": „Die Prophezeiung der alten Linken, in der Krise würden die Frauen zurück zu Kinder, Küche und Kirche geschickt, war falsch. Stattdessen werden die Männer in der Menge der überflüssigen Menschen gleich mit zu Kinder, Küche und Kirche geschickt, was in seiner Binnenlogik immerhin mehr Gerechtigkeit verspricht. Vielleicht dürfen die Frauen der überflüssigen Menschen im Gegenzug auch mit in die Kneipe oder zur Nachttanke.“ Seeßlen beschreibt die Funktion der Familie als Bedarfsgemeinschaft und kommt zu dem Ergebnis: „Sie funktioniert genau so wenig wie ihr Staat, und genau deswegen muss sie kategorisch erhalten bleiben.“

Richard Herzinger beschäftigt sich mit der konservativen Familien- und Wertedebatte, und wundert sich darüber, dass die sich ausgerechnet am Ideal der muslimischen Großfamilie orientiert: „Um einen kulturell-religiösen Schutzwall gegen die Ausbreitung eines angeblich monolithischen Islam zu bilden, sollen wir uns selbst wieder in eine monolithische Kultur verwandeln. Als hätte der Westen seinen Vorsprung auf wirtschaftlichem, technologischem und sozialem Gebiet nicht gerade dadurch erzielt, dass er den Mythos von der geschlossenen kulturellen Gemeinschaft aufbrach!“

Regina Stötzel beschreibt an vielen Beispielen die Demografie als Methode: „Mit gewagten Thesen und Schreckensbotschaften lässt sich wunderbar Politik machen, Ideologie verbreiten und Geld verdienen.“

Cord Riechelmann stellt fest, dass das Land mit der niedrigsten Geburtenrate in Europa ausgerechnet Italien ist, jenes Land also, das als Bastion der Großfamilie gilt: „Trotzdem fehlen in Italien die Untergangsvisionäre, die hierzulande den mangelnden Familiennachwuchs für das Nahe Ende des Staates verantwortlich machen. (…) Das mag damit zu tun haben, das in einem Auswandererland die Familie sowieso nie so eng mit dem Staat zusammengedacht wird, wie im klaustrophobischen Deutschland.“

Wem das alles nix ist, der kann sich ja mal mit dem Familienbild bei den Ducks auseinandersetzen. Das hat man an der Uni Essen getan und man kam zu dem Ergebnis: „Die Familienstruktur ist hierarchisch und patriarchalisch aufgebaut.“ Inwieweit die Ducks jedoch – vielleicht ja gerade deshalb - eine vorbildliche Bedarfsgemeinschaft à la von der Leyen sind, wäre gesondert zu untersuchen. Das Ergebnis würde mich interessieren...

2 Comments:

At 1:33 AM, Blogger saltandvinegar said...

'streben aus' klingt wirklich nicht schlecht. ich fuerchte, der buchstabendreher entstellt aber den sinn ?

 
At 4:17 AM, Blogger Ivo Bozic said...

upps, merci!
ivo

 

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