Straßenumbenennungen II
Kasimir Blaumilch und die Erasmus-Brücke
In Erasmus-Brücke haben wir neulich die Warschauer Brücke in Friedrichshain umbenannt (das ist ja grad in). Weil auf dem Fußweg zwischen U-Bahnhof, S-Bahnhof und dem Simon-Dach-Kiez sich die Erasmus-Studenten nur so über die Schuhe stolpern. Der Kiez ist ja schwer multikulti, nicht wie das öde bikulturelle Kreuzberg…Du gehst hier über die Straßen und alles redet spanisch, italienisch, französisch, englisch, türkisch, baskisch und russisch. Und kein Mensch weit und breit älter als 30. (Außer mir und dem Mann vom Spätverkauf unten.)
Vielleicht aber, das kam mir heute so in den Sinn, muss man die Brücke doch eher in Blaumilch-Brücke umbenennen. Nach dem berühmten Kasimir Blaumilch. Ich glaube, das wäre angebracht. Die Warschauer Brücke besteht ja schließlich nicht nur aus dem Global-Village-Weltbürgersteig, sondern auch aus einer Fahrbahn, also eigentlich vieren. Also, wo fangen wir an mit der Geschichte…
Vielleicht so: Einerseits ist die Warschauer Brücke nicht nur eine Brücke, sondern auch die wichtigste Durchfahrtsstraße zwischen Ost- und Westberlin, zwischen den immerhin extra fusionierten Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain. Andererseits die längste Dauerbaustelle der Stadt. Das ging 1995, also vor zwölf Jahren (!), los. Zwei lange Jahre lang hat man die Brücke komplett saniert, alles neu machen und so, den DDR-Pfusch beseitigen, alles wird ganz toll, Pipapo, ständig war nur ein Fahrstreifen geöffnet, ununterbrochen wurde gebohrt, gehämmert, asphaltiert. Dann war sie irgendwann endlichendlich fertig. Aber nein, noch nicht so ganz. Denn da fiel den Verantwortlichen auf, dass sie bei all dem Gegrabe und Gewerkel über die zwei Jahre hinweg doch glatt vergessen hatten, die Straßenbahnschienen einzubauen. Okay, also wurde 1999 alles wieder aufgerissen, die gesamte Fahrbahn, und in einem ewig langen, offenbar komplizierten Verfahren nachträglich Straßenbahnschienen verlegt, damit die Straßenbahn eine (!) Station weiter fahren kann. Bis nach Kreuzberg rüber, was eigentlich Sinn machen würde, gehen die Gleise natürlich nicht. Viele, viele Monate später lagen endlich die Gleise in ihrem Bett, und der Verkehr wurde wieder auf vier Fahrbahnen eröffnet. Aber der Spaß währte nur kurze Zeit. Denn irgendwie hatte man offenbar gemurkst, und der Asphalt begann überall aufzuspringen. Ohje! Seit 2003, also seit bald vier Jahren, hat man daher zwei Fahrbahnen wieder gesperrt und repariert seitdem sporadisch am Gleisbett herum. Hier wurde mal was aufgefüllt, da mal was geteert, dort mal was weggehämmert. Seit ein paar Monaten konnten keine Bautätigkeiten mehr festgestellt werden. Kein Bauarbeiter mehr zu sehen, der letzte Kasimir Blaumilch abgetaucht. Ich dachte schon, man ließe die offene Baustelle nun einfach so stehen, aufgegeben, nach dem Motto: scheiß drauf, wir kriegen’s halt nicht hin, wir machen die Fliege, adios, good bye. Vielleicht darf man da jetzt nach so vielen Jahren auch gar nichts mehr dran ändern; die Baustelle steht sicher schon unter Denkmalschutz! Dachte ich.
Aber nein, jetzt gibt es tolle Neuigkeiten. Endlich wird alles gut! Im Sommer (wohl eher ab dem Sommer…) werden - mal ganz was Neues - die Gleise wieder komplett herausgerissen, um anschließend - ja genau - wieder eingebaut zu werden, diesmal in „ein Bett aus Mörtel-Kunstharz“. Wow. Die nächsten fünf Jahre Baustelle sind also schon gesichert.
Ich weiß nicht, ob das eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Bezirkes ist oder einfach ein klassischer Schildbürgerstreich, aber vor allem denke ich mir: Was denken die ganzen Erasmus-Studenten wohl, die da Tag für Tag vorbeistiefeln? Was ist es, was sie sich da auf Baskisch oder Catalan zuraunen. Vielleicht: „In was für eine Provinznest bin ich denn da geraten?“ Vermutlich so was. Das ist es auch, was ich täglich denke - und das auf der urbansten Brücke der Stadt mit der geilsten, überwältigendsten metropolitansten Aussicht, da also, wo Berlin eigentlich ausnahmsweise mal kein Dorf ist. Aber das ist wie gesagt bloße Theorie. Und was soll’s: Eines fernen Tages wird man hier gewiss den Blaumilchkanal eröffnen und alle Schmach und Schande wird vergessen sein...
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Apropos Bauarbeiter, die nicht arbeiten - und weil bald Karneval ist: Hier gibt’s ein Faschingskostüm „Bauarbeiterin“ zu kaufen, bei dem ein Bikini und eine Sonnenbrille „im Lieferumfang“ enthalten sind, aber NICHT der Helm… Da sag ich doch einfach mal Helau!
Hey, sind denn alle bekloppt? Wie sagt good old Broder: "Ich bin mir sicher, dass ich nicht gaga bin. So bleibt nur die andere Option: Die Anderen sind es. Ich sage das ohne jeden Zweifel und ich kann es in jedem einzelnen Fall belegen." So sieht das aus.
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