Achmed Jihad, Hugo und die Hand Gottes
Oder: Wenn Nazis zu Latinlovern werden
von Ivo Bozic
Wenn man die Feuilletons und Talkshows verfolgt, hat man den Eindruck, die deutsche Flagge sei so etwas wie die lokale Version der Regenbogen-Pace-Fahne. Ein fröhliches Multikulti-Symbol der weltoffenen "Berliner Republik". Im schwarzrotgoldnen Bettzeug kann auch ein Schwarzer wie Asamoha ruhig schlafen. Wir tun ja nix, sagen die Deutschen, wir wollen nur Fußball spielen. Die Neonazis haben das geahnt, und nun da alle Deutschen für Deutschland sind, voll auf den Iran gesetzt. Dort wird der Holocaust noch anständig geleugnet und nicht als Diplom der moralischen Läuterung an die Tür geheftet. Doch nachdem die iranische Mannschaft aus dem Rennen ist, und uns der Besuch des irren Jubel-Persers aus Teheran erspart bleibt, ist es Zeit zu fragen, wie der globale antiglobale Antiimperialismus künftig bei Weltmeisterschaften vertreten werden soll.
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Dass Chavez wie seine Aufziehpuppe immer nur denselben Satz sagt, kann man allerdings nicht behaupten. In der beliebten Fernsehsendung „Aló Presidente“ auf dem Sender Telesur, den die Journalistin Blanche Petrich in Anspielung auf Al Jazeera „Al Bolivar“ nennt, hält Chavez zuweilen stundenlange Monologe, oder beantwortet Zuschauerfragen. Chavez ist in Venezuela allgegenwärtig.
Nicht so bei der WM in Deutschland. Weder Chavez, noch der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinejad sind angereist. Und so wird der internationale Antiimperialismus bei dieser WM nur ersatzweise von einem kleinen pummligen, durch und durch sympathischen Maskottchen vertreten, von Chavez- und Castro-Freund Diego Maradona, der bei jedem Argentinienspiel leidenschaftlich auf den Stadionrängen mitfiebert.
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Wie Politstar Chavez hatte auch Fußballstar Maradona eine – mittlerweile eingestellte - eigene Fernsehshow mit dem Namen „La Noche del 10“ (Die Nacht der Nummer 10), für die er auch schon seinen Mentor Fidel Castro interviewte . Diego über Fidel: „Für mich ist er ein Gott“. Fidel über Diego: Maradona ist „der Che des Sports“. Dass Diego Fidel mag, hat wohl nur in zweiter Linie politische Gründe. Zunächst hatte Castro dem argentinischen Fußballer, der nicht nur die weißen Linien auf dem Rasen liebte, auf Kuba eine Drogentherapie ermöglicht, und so waren die beiden Popstars sich näher gekommen.
Maradonas Verbindung mit Hugo Chavez jedenfalls ist da schon eindeutiger eine politische. Im November 2005 sprach Maradona auf einer Protestkundgebung anlässlich des „Gipfels der Völker“ in Argentinien öffentlich bei einem Auftritt von Hugo Chavez und Evo Morales. Mit einem T-Shirt mit dem mit Hakenkreuz verzierten Spruch „Stop Bush“ rief er vor 40.000 Menschen in einem Fußballstadion hauptsächlich antiamerikanische Parolen und bezeichnete Bush als „menschlichen Müll“.
Trotzdem ist Maradona natürlich nur der Aushilfs-Antiimperialist bei dieser WM. Viel lieber hätten linke und rechten Amerika-Feinde Hugo Chavez persönlich begrüßt. Vielleicht hätten die Nazis ja auch für ihn eine Willkommensdemo auf die Beine gestellt, so wie sie es für Ahmadinejad in Frankfurt/M. geplant hatten (NPD: „In der Stadt der Börse und der Banken, dem Jerusalem am Main, wollen wir demonstrieren, dass uns wahrheitsliebende und völkische Iraner zu Gast willkommen sind, wir aber die Masseneinwanderung und die Zersetzung des deutschen Volkes verachten.“) und auch ohne den Stargast in Gelsenkirchen ausprobiert hatten (und wie sie es am 21. Juni in Leipzig wiederholen wollen).
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Die politischen Entwicklungen in Lateinamerika und die Wahlsiege für Hugo Chavez und Evo Morales verfolgen deutsche Neonazis nämlich mit einigem Respekt. „Vielleicht können wir Deutschen uns auch mal von derart unterentwickelten (sic!) Ländern ein Beispiel nehmen (sic!), da diese teilweise der von uns geforderten Volksgemeinschaft und möglicherweise auch der raumorientierten Volkswirtschaft wesentlich näher sind“, schreibt ein gewisser „Patriot“ beispielsweise auf der Kameradschafts-Hompage „Freier Widerstand“. Und auf dem rechten Diskussionsforum „politikforen.de“ heißt es: „Venezuela ist auf dem besten Weg zu einem patriotischen Linkssozialismus“ und darunter: „Lang lebe Deutschland, lang lebe der Sozialismus!“
Gerade bei Querfrontnazis ist Hugo Chavez besonders beliebt. „Venezuela und Kuba sind zu Leuchtfeuern der Freiheit für millionen Unterdrückte, nicht nur dieses Kontinents, geworden", schreibt etwa Michael Koth, ein alter Gefährte Michael Kühnens, auf der Website seines „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“ (KDS). Der KDS hat auch einen Aufruf veröffentlicht, in dem er zur „Solidarität mit der bolivarianischen Revolution unter Führung des venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez“ auffordert. Der Nationalrevolutionär Richard Schapke schrieb auf der Anti-Antifa-Website „Die Kommenden“ bereits 2004: „So bleibt Hugo Chavez ein Hoffnungsträger für diejenigen, die - nicht nur in Lateinamerika - auf die nationale, soziale und antiimperialistische Umgestaltung ihrer Länder hoffen.“
Aber auch die NPD wird beim Thema Antiimperialismus zum Latinlover. So erklärte der sächsische Landtagsabgeordnete Jürgen W. Gansel : „Seien zumindest wir Nationalisten solidarisch mit Venezuela, dem Iran und eben auch Kuba, und streiten für ihr Recht auf nationale Integrität. Alles, was die US-Globalisten schwächt, stärkt Europa und seine völkerbewussten Kräfte.“ Und als Chavez-Kollege Evo Morales in Bolivien am 1. Mai zumindest symbolisch ein militärisches Zeichen für die Verstaatlichung der Gasproduktion setzte, gratulierte die NPD Morales: „Die Verstaatlichung der Öl- und Gasindustrie in Bolivien und die nationale und soziale Wirtschaftspolitik einiger Südamerikanischer Staaten, die allgemeinhin als links bezeichnet werden, läutet ganz offensichtlich eine neue Runde im Kampf gegen die weltumspannende Wirtschaftsdiktatur ein.“ Und NPD-Chef und Globalisierungsgegner Udo Voigt erklärte: „Widerstand gegen die globale Herrschaft des Geldes kann nur national sein.“
Chavez ist bei den Nazis aber nicht nur beliebt, weil er eine nationale und antiamerikanische Politik betreibt, sondern auch, weil er einer der wenigen Freunde des antisemitischen Nazi-Idols und Holocaustleugners Ahmadinejad aus Teheran ist.
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Auch deutschen Nazis wäre es sicher
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Es bleibt bei der WM also beim antiimperialistischen Schlüsselanhänger Diego Maradona, der sich jedoch diesmal nicht mit Anti-Bush-T-Shirt, sondern ganz patriotisch in Hellblau-Weiß präsentiert, und der der gestelzten Eröffnungszeremonie mit den sympathischen Worten fernblieb: „Ich bin nicht nach Deutschland gekommen, um Pele und Franz Beckenbauer zu sehen, sondern um mich an schönem Fußball zu erfreuen.“ Ein echter Volksheld eben.
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