Donnerstag, Oktober 25, 2007

Wir müssen eine Mauer bauen... (Rocko Schamoni)
Mauern? Böse, ganz böse. Mauern trennen. Mauern sind Grenzen. Mauern markieren das Ende der Freiheit. Hinter Mauern will niemand leben, eingemauert möchte man nicht sein, mauern in der Diskussion ist unfair, Mauerblümchen sind uncool. Break down the Wall! Open the Gate! Die Mauer muss weg! Das scheint dem Menschen ein ganz grundsätzliches Anliegen zu sein. Ohne Mauern wäre einfach alles viel schöner und besser, verdammt sollen die Schurken sein, die den Mörtel erfunden haben!

Drum ist es auch völlig legitim, den israelischen Schutzwall mit wahlweise KZ-Mauern, der DDR-Mauer oder mit jener Mauer, auf der die kleine Wanze liegt, zu vergleichen, denn tatsächlich: Es handelt sich zwar größtenteils um einen Zaun, aber an einigen Stellen ist es, da beißt die Maus kein Faden ab: eine Mauer. Nun will der Fotograf Kai Wiedenhöfer an der Berliner East Side Gallery - so nennt man das Überbleibsel der Berliner Gallery, äh, Mauer - Fotos aus seinem Bildband „The Wall" zeigen. 2,80 Meter hoch, sollen sie dort im Frühling drei Wochen lang hängen. Selbstredend sind es nicht Fotos vom DDR-Todesstreifen, sondern Fotos von der israelischen Schutzanlage, die als Reaktion auf die vor ihrer Errichtung zahlreichen Selbstmordattentate in Israel gebaut wurde.

Die Aussage ist klar: So wie die Berliner Mauer fiel, wird und soll auch die israelische fallen. Man könnte die Fotos natürlich auch auf die Chinesische Mauer tapezieren oder auf jene zwischen Indien und Pakistan, oder der zwischen Nord- und Südkorea, oder zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen, oder der, die der Iran an der Grenze zu Pakistan baut, oder dem Zaun zwischen Simbabwe und Botswana - vielleicht auch gleich an die Klagemauer oder an die Mauern im eigenen Kopf.

Aber am einfachsten ist es in Berlin, denn da gibt es verständnisvolle Kulturbeauftragte, die sich an derlei origineller Gesellschaftskritik erfreuen können. Etwa die ehemalige Kultursenatorin Adrienne Göhler. Sie bestreitet gegenüber der Berliner Zeitung, dass es bei dem Kunstprojekt um eine Gleichsetzung der Berliner und der israelischen East Side Gallery gehe. Aber man solle der Realität doch bitte mal ins Gesicht sehen: "Es stellt sich die Frage, ob man der Realität ins Gesicht sehen will. Denn die israelische Mauer durchschneidet zu 80 Prozent palästinensisches Gebiet, nur 20 Prozent trennen Israelis von Palästinensern." Woher sie das hat, wissen wir nicht, aber es ist natürlich ein schlagendes Argument dafür, die Poster in Berlin aufzuhängen, denn wie wir wissen, war das Hauptproblem bei der Berliner Mauer, dass fortan die Wessis auf dem Weg zu ihrem Olivenbaum eine viertel Stunde Umweg in Kauf nehmen mussten.

Nein, nein, Frau Göhler hat schon Recht. Mauern sind böse und gehören eingerissen. So wie die Mauern der als World Trade Center getarnten „Phallussymbole“ in New York. Wie man hört, hat sie bereits angefangen, die Wände ihrer Wohnung abzutragen. Viel Erfolg!