Samstag, September 30, 2006

Am 21. 10. ist Murmeltiertag!
Und jährlich grüßt das Murmeltier. Ich meine jetzt nicht Phil, sondern den Al-Quds-Tag , der inzwischen rund um die Welt zelebriert wird. Am 21. Oktober ist es wieder so weit. An diesem auf Ayatollah Khomeini zurückgehenden islamistischen Propagandatag wird in Teheran, Beirut und in vielen anderen Städten weltweit (darunter auch Berlin und London) jeweils am letzten Freitag des Ramadans die Vernichtung Israels gefordert und der islamistische Gottesstaat im Sinne Khomeinis gepriesen.

Wer meint, man müsse doch etwas gegen Antisemitismus und gegen den politischen Islamismus in seiner ekligsten Form unternehmen, liegt genau richtig, und kann dies in Berlin seit 2003 bei der regelmäßig stattfindenden Gegendemo tun, auch dieses Jahr wieder.

Das erfreulich breite Bündnis, das sich in Berlin jedes Jahr zu diesem Anlass bildet, darunter die Amadeu Antonio Stiftung, Hagalil, die Deutsch-Israelische Gesellschaft, Antifas und Vertreter verschiedenster Parteien, bittet nun um Spenden, um die Finanzierung der Vorbereitungen zu sichern .

Außerdem wäre auf eine neue Broschüre des American Jewish Commitees hinzuweisen: „Antisemitismus ‚Made in Iran’. Die internationale Dimension des Al-Quds-Tages“, die auch online abrufbar ist.

Lesenswert auch ein, manchem schon bekanntes, Gutachten mit vielen Hintergründen zum Al-Quds-Tag von Udo Wolter.

In der Hoffnung, dass wir noch erleben, dass der Al-Quds-Tag jedes Jahr exklusiv und ausschließlich in Punxsutawney, Pennsylvania zelebriert wird…

Freitag, September 29, 2006

Arte für Aliens
Dass der Fernsehsender Arte von einem anderen Stern aus sendet, und als Zielgruppe vor allem Aliens hat, habe ich ja immer schon vermutet. Nun ist es gewiss. Tatsächlich schickt man eine Sendung ins Weltall hinaus, um den Außerirdischen zu sagen: „Wir haben eure Zeichen im Korn (Kornkreise) gesehen. Schaut mal bei uns vorbei.“ – und das offenbar auf Deutsch, weil das die Sprache der weltfremdesten Erdenbürger zu sein scheint.

Die Sendung erreicht den anvisierten Planeten Errai allerdings erst in 45 Jahren, zu einer Zeit also, wenn Arte schon längst das Zeitliche gesegnet haben dürfte. Die vermutlich enorme Zuschauerquote wird dem Sender dann also nicht mehr viel nutzen. Aber ganz zufällig und sicher nur nebenbei wird die Sache auch im irdischen Fernsehen ausgestrahlt (Samstag, 30. September um 20.40 Uhr), damit wir alle uns ein Bild von den wissenschaftlichen Fortschritten unserer lieben Menschenbrüder machen können.

Immerhin, Regisseur der SF-Show, die Arte als „Dokumentarfilm“ bezeichnet, ist der französische Regisseur Jean-Jacques Beineix, dem wir die wunderschöne Djian-Verfilmung „Betty Blue“ zu verdanken haben. Und immerhin richtet in dem Beitrag ein Erdenbürger wohl den Rat an die Aliens, sich von der Erde besser fernzuhalten, da Fremde hier nicht gern gesehen seien.

Und so ergibt das Ganze vielleicht einen Sinn. Als Warnung vor einer xenophoben No-Go-Area… und überhaupt zur Abschreckung. Aber da würden mir da noch ganz andere Beiträge einfallen… Oder warum sendet man nicht gleich ein paar Folgen Arte-Reportagen in den Orbit?

Donnerstag, September 28, 2006

Drogen-Warnung!
Hey friends, also hier mal ne Drogen-Warnung für alle: Drogen sind total überteuert! Es geht auch für lau. LSD zum Beispiel. Das Video in größter Größe anschauen, auf die Mitte starren, und nach dem Filmchen einfach irgendwohin gucken. Ich verspreche, es funktioniert! Und kostet nicht die Bohne. Viel Spaß!

Mittwoch, September 27, 2006

Happy Birthday Punk

Zukunft ist etwas für Loser!
Von Ivo Bozic

"Zukunft wagen!“ Diese vermeintlich tapfere Forderung wird einem regelmäßig um die Ohren gehauen – von Memmen. Zukunft ist etwas für Feiglinge, für Loser, die keine Gegenwart haben und nichts, worauf sie zurückblicken können. Wer mit dem Heute nichts anzufangen weiß, macht Pläne für morgen. Wer keine Geschichte hat, will wenigstens eine Perspektive haben. „Zukunftsfähigkeit“, solche Worte denken sich Menschen aus, die vollkommen gegenwartsunfähig sind. Man muss doch ein Ziel im Leben haben, behaupten sie, weil das Leben, das sie gerade führen, offenbar so gar nicht als Rechtfertigung ihres Daseins taugt.

Ach, es ist immer wieder tragisch, Leute ihre Pläne schmieden zu hören; wie sie mit einem seligen Lächeln von dem schwärmen, was sie erreichen wollen, eines Tages; und unter welcher fabelhaften Ideologie oder Moral sich das alles zu einem Ganzen zusammenfüge. Ihre Existenz muss derart beschämend sein, dass sie zumindest noch einmal mit einer Weltreise, einem Pokal, einem Nachkommen oder einer bestimmten Karrierestufe geschmückt werden muss. Diese armen Wichte haben ansonsten verdammt noch mal keine Ahnung, was am Ende auf ihrem Grabstein stehen soll.

Punk ist mehr als Musik, Punk ist ein Lebensgefühl, heißt es immer wieder so schön – oder gar eine Lebenseinstellung. Gut, aber welche? Punk hat es auf den Punkt gebracht: „No Future!“ Und damit ist - von dem Sex-Pistol-Song einmal abstrahiert - keine apokalyptische Untergangsvision gemeint, nicht der saure Regen oder der Atomtod. Es meint auch nicht, dass die Zukunft egal wäre, dass man keine Visionen haben soll, dass es irrelevant wäre, was morgen oder im nächsten Jahr passiert. Dieser Spruch bringt vielmehr zum Ausdruck, was das einzige ist, das im Leben gewiss ist, und worum es also letztlich geht: um das Jetzt und Hier, um die Hingabe an das Heute. Denn was bleibt jenen Menschen mit all ihren tollen Plänen, wenn ihnen morgen der Transrapid auf den Kopf fällt oder wenn die Sonne explodiert. So etwas muss man in Erwägung ziehen. Dagegen kann man sich nicht versichern, da hilft weder die Allianz noch der liebe Gott.

„Lebe jeden Tag so, als wäre es dein letzter“ – mit dieser Phrase scheinen spirituelle Scharlatane, Hippies, Yuppies und Poesiealben-Autoren das Punk-Ideal aufzunehmen, in Wirklichkeit aber desavouieren sie es komplett. Denn diese gut gemeinte Botschaft nährt in besonderem Maße den Gedanken, das Leben müsse einen Zweck haben, ein Ziel verfolgen; es gelte, irgendetwas ganz Bestimmtes zu erreichen, und man müsse daher alles tun, um diesem phantastischen Vorhaben möglichst schon heute so nahe wie möglich zu kommen, nach dem Motto: Haus bauen, Baum pflanzen, Kind zeugen – worauf wartest du? Morgen könnte es zu spät sein. Das ist nicht Zukunftsverweigerung, das ist die perfideste, calvinistischs¬te Ausprägung des „Projekts Zukunft“.

Dürfen Punks also kein Haus bauen, keine Bäume pflanzen und keine Kinder zeugen, um Punks zu bleiben? Doch, sicher! Nicht Assimilation ans Bürgertum macht den Punk zum Bürger, sondern die geplante Assimilation. Man kann Banker sein und trotzdem Punk, aber man darf keine Bankkaufmanns¬lehre gemacht haben. Man kann als Punk eine Bankkaufmannslehre machen, aber nicht, um später Banker zu werden. Punk heißt, sich auf das Leben einzulassen und auch bereit zu sein, die Konsequenzen zu tragen. Mit Politik hat das nichts zu tun? Richtig, behauptet das etwa jemand? Ein beliebtes Symbol im Punkrock ist der Würfel. Das Leben als Spiel, als Glücksspiel.

Ganz sicher kein Punk ist Herbert Grönemeyer. Obwohl der Refrain seines Liedes „Keine Garantie“ so geht: „Es gibt für nichts ’ne Garantie, es gibt nur jetzt oder nie, oder verdammt in Ewigkeit“. Das ist Punk. Da ist kein Platz für Gott und Staat und Ideologie. Sein Song „Jetzt oder nie“ hingegen, der diese Einstellung zu untermauern scheint, zerpflückt sie in Wirklichkeit: „Jetzt oder nie – wascht Ihr nur Eure Autos“. Da ist von der Hingabe ans Heute nur noch das protestantische „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf mor¬gen“ übrig geblieben. Wir hätten doch heute Wichtigeres zu tun, als unsere Autos zu waschen, meint Grönemeyer. So ein Quatsch! Der Punk wäscht heute sein Auto, und zwar mit ganzer Leidenschaft, wenn es ihm heute ein Anliegen ist. Wenn es ihm kein Anliegen ist, und morgen auch nicht, dann wird er es einfach gar nicht waschen, so einfach ist das.

Was das alles mit den Sex Pistols zu tun hat und Anarcho-Buttons auf Lederjacken? Gar nichts. Aber hat nicht jemand gesagt, es ginge hier um eine Lebenseinstellung?


Aus der aktuellen Jungle World

Dienstag, September 26, 2006

Dialog aus Angst und das europäische Stockholm-Syndrom

Ich hatte ja kürzlich über das Phänomen der „gegendrehenden“ Kolumnisten in den Niederlanden geschrieben. Diese Woche haben wir für die Jungle World und unser Titelthema „Talkshow der Kulturen“ (zur Mittwoch beginnenden Deutschen Islam Konferenz) erfreulicherweise wieder einen dieser Kolumnisten als Autoren gewinnen können:
Theodor Holman, ein Freund des ermordeten Theo van Goghs und Ayaan Hirsi Alis. Er spricht vom Stockholm-Sydrom, das wir in Europa erleben würden, und sieht die Meinungsfreiheit ernsthaft in Gefahr. Der Dialog der Kulturen - wie ihn der olle Papst so schön zelebriert, wie er in London so liebevoll und in Berlin so konstruktiv geführt wird - werde inzwischen vor allem aus einem Motiv gepflegt: Angst.

Es wird noch jede Menge anderer Beiträge zum „Dialog“ geben, aber diesen wollte ich hier schon mal als Appetizer posten - der Rest morgen in der Jungle World am Kiosk.


Respekt vor der Gewalt
In Europa treten viele Politiker den Drohungen der Islamisten nur halbherzig entgegen. Viel lieber werden Verständnis und Respekt gefordert. Von Theodor Holman

Wann immer irgendetwas im Vatikan passiert, ist das der Aufmacher der Fernseh-Nachrichten – obwohl im eigentlichen Sinne nie etwas passiert: Der Papst ist krank, der Papst stirbt, es wird ein neuer Papst gewählt, ach, schau mal, da kommt weißer Rauch aus dem Schornstein… Das ist alles.

Unlängst jedoch sagte der Papst etwas »Bedeutendes«, aber das erreichte in den Niederlanden nicht die Titelseiten. Das lag daran, dass das Bedeutende, was der Papst sagte, niemand verstanden hatte. Er zitierte irgendwie eine Art Kaiser, der schon ein paar hundert Jahre tot ist und der Probleme mit dem Islam hatte. Im Vatikan nannten sie es »Wissenschaft«. Eigentlich sagte der Papst wohl: Wir versuchten damals, die Menschen zu christianisieren, indem wir ihnen mithilfe von Märchen einen Bären aufbanden, der Islam aber missionierte mit Gewalt…

Und was geschah? Die »muslimische Gemeinschaft« – ich habe inzwischen keine Ahnung mehr, aus wem oder was diese Gemeinschaft genau besteht –, diese muslimische Gemeinschaft also wurde auf einmal schrecklich wütend. Was hat sich der Papst nur dabei gedacht?! Die Muslime bestritten vehement, dass sie Gewalt gebrauchten, das ging nun wirklich zu weit! Der Papst musste sein Bedauern ausdrücken, und um zu untermauern, dass Seine Heiligkeit Unrecht hat, wurden eine Nonne ermordet und ein paar Kirchen in Brand gesteckt…

Nachdem man vor zwei Jahren meinen Freund Theo van Gogh abgeschlachtet hatte, wurde ich von verschiedenen muslimischen Gemeinden eingeladen, um mit ihnen zu debattieren. Das war manchmal kompliziert, weil ich zu jener Zeit von Sicherheitsleuten beschützt wurde und meine Beschützer mir dringend abrieten, zu diesen Diskussionen zu gehen, weil solche Debatten doch mal aus dem Ruder laufen könnten, und dann könnten sie nicht für meine Sicherheit garantieren.

Aber gut, ich bin ein freundlicher Mensch. Ich stelle mich auf die Bühne mit einem hübschen Lächeln, dann sehen sie, dass ich ein netter Junge bin, nicht aggressiv und voller Freiheitsliebe, und dann habe ich nichts zu befürchten. Aber so sehr ich auch meine Mundwinkel zu den Ohren zog, so liebenswürdig ich versuchte, meine Ansichten zu formulieren, die Stimmung wurde immer grimmiger.
»Aber findet Ihr es etwa gut, dass Theo van Gogh umgebracht wurde?«
»Er hat es selbst zu verantworten mit seinen beleidigenden Aussagen über Allah.«
»Selbst wenn sie beleidigend gewesen sein sollten, dann bringt man doch jemanden nicht um.«
»Ihr ermordet hunderttausende Unschuldige im Irak und in Palästina, darüber sprecht Ihr nie!«
»Da wird schon drüber geschrieben. Sehr viel sogar. Es ist praktisch keine Zeitung zu finden, die hinter Bush steht.«
»Das ist nicht wahr, Ihr tötet auch unschuldige Opfer, und da lese ich nie etwas drüber. Und wenn dann so ein Idiot wie Theo van Gogh umgebracht wird, dann empört sich auf einmal jeder.«

Ich habe mit dem Diskutieren aufgehört. Und muss nun zusehen, wie in ganz Europa die Freiheit, die Meinung zu äußern, immer weiter eingeschränkt wird.

In jenen Tagen erhielt ich Besuch von der schwer bewachten Ayaan Hirsi Ali. Ayaan war Mitglied des Parlaments, und obwohl sie von sechs Mann beschirmt wurde, konnte sie nicht in die Zweite Kammer gehen, um ihr Mandat wahrzunehmen, erzählte sie mir. Unser Justizminister und der Innenminister vermochten ihre Sicherheit nicht zu garantieren. Wie bitte? Sie war doch eine gewählte Volksvertreterin – wichtigere Leute haben wir nicht in einer Demokratie. Sie muss im Parlament sitzen, um ihre Pflicht zu tun. Nein, es ginge nicht, unmöglich, hieß es. Wenn sie ins Parlament gehen würde, sei nicht nur sie gefährdet, sondern auch die anderen Parlamentarier. »Dann lass sie die Armee neben dich setzen!« rief ich aus. Nein, das wollte man nicht. Das sei zu teuer. Ayaan wurde auf diese Weise mundtot gemacht.

Danach verfolgte ich die Aufregung um die dänischen Karikaturen. Im Nachhinein kann man resümieren, dass sich Europa nicht gerade heldenhaft verhalten hat. Was wäre geschehen, wenn sämtliche europäischen Zeitungen die Cartoons abgedruckt hätten, notfalls auch mit einem kritischen Kommentar versehen? Wir hätten damit gezeigt, was uns Meinungsfreiheit wert ist. Stattdessen wichen wir vor dem Terror zurück, vor den Bränden in Botschaften, vor merkwürdigen Aussagen von islamischen Regierungschefs, die nicht wollten, dass man sie verspotte. Die Frage, wer eigentlich die Sache ins Rollen gebracht hatte, die dänischen Karikaturisten oder die Jungs, die die Cartoons ihren islamischen Führern zugesteckt haben, war kaum ein Thema.

Unterdessen erschienen immer mehr Greise auf den Fernsehschirmen und forderten, dass wir uns anständig benehmen sollten, dass wir Verständnis haben und uns um einen »Dialog« bemühen sollten. Und das Allerwichtigste war: Wir sollten Respekt haben! Respekt vor, Respekt für, Respekt, Respekt, Respekt. Was um Himmels Willen war damit gemeint? Dass man jemanden ganz selbstverständlich bewundern muss, dass man jemanden selbstverständlich nett finden muss? Dass man jemanden einfach als ebenbürtig behandeln soll?

Es steckt merkwürdigerweise etwas sehr Herablassendes in dem Wort Respekt. Wenn man sagt: »Ich habe großen Respekt vor dem Politiker Soundso«, dann hat man eigentlich nichts über ihn zu sagen, dann findet man seine Politik wahrscheinlich nicht einmal besonders gut (sonst hätte man das ja gesagt), und dann hat man vermutlich wenig Achtung vor ihm, nur ist man zu höflich, um das direkt zu sagen. Deshalb sagt man, dass man ihn »respektiert«.
Warum wollen Leute dann so gerne respektiert werden? Es bedeutet nichts. Und es hat den Beigeschmack von: Zensier dich selbst, sag nicht alles, was dir in den Sinn kommt, da gibt es Leute, die das als beleidigend empfinden, und die beantworten das mit Gewalt.

Und so sehen wir uns in Europa mit einem wachsenden Stockholm-Syndrom konfrontiert – unsere Sehnsucht nach Empathie. Weil wir den Anderen absolut nicht verstehen, versuchen wir, so viele Ähnlichkeiten wie möglich mit ihm zu finden, und verleugnen so unsere eigenen Werte und Normen. »Freie Meinungsäußerung ist nicht in jedem Falle gut«, hörte ich neulich. Ich traute zunächst meinen Ohren nicht. Aber ach, ich hörte meinen eigenen Justizminister auch sagen, dass »eine wirkliche Demokratie nur möglich ist, wenn man an Gott glaubt«. Und er sagte: »Wenn zwei Drittel der Bevölkerung die Sharia wünschen, dann muss die Sharia eingeführt werden. Das ist Demokratie.«
Mit anderen Worten: Wenn zwei Drittel der Bevölkerung die Demokratie abschaffen wollen, dann muss man die Demokratie abschaffen, denn das ist Demokratie. Unser Justizminister ist nicht zurückgetreten, er wird wahrscheinlich wiedergewählt: Der Sharia-Hohepriester steht weit oben auf der Liste der Christdemokraten.

Via E-Mail habe ich gerade wieder eine Anfrage erhalten, an einer Debatte mit muslimischen Jugendlichen teilzunehmen, »weil wir den Dialog fortsetzen müssen«.
Ich werde es tun.
Weil ich Angst habe.
Ich – der größte Atheist des westlichen Halbrunds – werde sogar darlegen, dass der Papst sagen darf, was er will, selbst wenn er meine Worte zensieren wollte. Aber wenn sie an einem bestimmten Punkt fragen: »Sind Sie einer Meinung mit dem Papst?« Dann muss ich gegebenenfalls auch den Mut haben, »Ja« zu sagen.

Der niederländische Journalist Theodor Holman lebt in Amsterdam, arbeitet als Radiomoderator und als Kolumnist für die Zeitungen Het Parool und De Groene Amsterdammer.

(Übersetzung: Ivo Bozic)


Foto: weitere Jihad-Fan-Artikel gibt es beim deutschen linken ba’athistschen Iraq News Network

Sonntag, September 24, 2006

Grass und ich
Spätestens seit diesem Sommer weiß jeder, dass beim Häuten einer Zwiebel unangenehme Gerüche entstehen. Dass der Gestank aber bis zu meinem Elternhaus weht, das war mir bisher nicht bewusst. Denn während alle Welt sich über die SS-Story des Literaturnobelpreisgewinners Günter Grass echauffiert, werden die anderen Anekdötchen aus seinem Buch völlig ignoriert. Vermutlich zu Recht.

Für mich allerdings war es interessant zu erfahren, was Grass ab Seite 279, wo die meisten Leser vermutlich bereits längst eingeschlafen sind, zu berichten hat. Denn dass er sich 20jährig, nach der Kriegsgefangenschaft, im Winter 1947 nach Düsseldorf aufmachte, war mir neu. An die Kunstakademie wollte er dort, doch die hatte wegen Kohlenmangels geschlossen. Dabei wäre Grass doch so gerne Bildhauer geworden. Er wählte also den 2. Bildungsweg und heuerte beim Steinmetz Julius Göbel am Werstener Friedhof an. Wer würde behaupten wollen, dass die Fabrikation von Grabsteinen keine Kunst sei?! Und das entspricht ja auch ungefähr dem Verhältnis von Grass-Romanen zur Literatur.

Jedenfalls befindet sich der Werstener Friedhof in Wersten, direkt da, wo ich meine Jugend zugebracht habe, unser Hauseigentümer arbeite dort als Gärtner. Nun stelle ich mir also vor, wie auf dem mir bestens bekannten Friedhof, wo ich so oft spazieren gegangen bin, der junge Grass Grabsteine polierte und in der Mittagspause Futter für die Ziege „Genoveva“ auftreiben musste. Nach der Arbeit fuhr er dann mit der Straßenbahn zu seiner Unterkunft, einem Zehnbettzimmer der Caritas.

Irgendwie konnte sich Grass zwischen Blumengestecken und Marmorblöcken jedoch vormachen, er sei ein Künstler. Hätte er auf seinen Vater gehört, wäre uns vielleicht einiges erspart geblieben. Der nämlich wollte seinem Sohn eine Lehre in der Verwaltung von Rheinbraun schmackhaft machen. Der Vater, Hilfspförtner im Kraftwerk Fortuna-Nord, hatte ihm dort bereits eine Lehrstelle besorgt. Aber der 19jährige Günter erklärte: „Ich als Bürohengst? Lächerlich.“

Wer nun die ganze Zeit denkt: Steinmetz Göbel, Steinmetz Göbel, das kommt mir irgendwie bekannt vor, der liegt nicht falsch. Oskar, der Blechtrommler, geht ebenfalls bei einem Steinmetz in die Lehre geht, der zwar nicht Göbel, aber immerhin Wöbel heißt. Überhaupt erscheint es mir immer mehr so zu sein, dass das gesamte Grass-Werk mehr oder weniger eine geringfügige Abwandlung seiner Lebensgeschichte ist. Wohl deshalb ist es auch so langweilig, dass eine kleine SS-Geschichte noch den größten Thrill hat. Eine Geschichte vom Werstener Friedhof lässt sich wohl kaum verkaufen, schade eigentlich.

Donnerstag, September 21, 2006

Lust aufn Date?
Falls jemand in Dresden wohnt und heute noch nichts vorhat: Ich bin dort heute Abend bei einer Podiumsveranstaltung zu Rassismus in Deutschland, und irgendwie geht es wohl auch um die so genannte Islamophobie und natürlich um den Wahlerfolg der NPD in McPomm. Hmm, mal sehen...

Neben mir werden auf dem Podium sitzen: der Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, Mike Schmeitzner vom Hannah-Arendt-Institut und der Politologe und Buchautor Lars Flemming. Moderieren werden Mike Sturm von der Dresdner SPD und der Journalist Michael Bartsch.

Das ganze findet um 19.30 Uhr im Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde zu Dresden statt, das ist direkt gegenüber der neuen Synagoge, am Hasenberg 1.

So, jetzt muss ich mich sputen, in zwei Stunden geht mein Flieger:

Dienstag, September 19, 2006

Block der Blockfreien
Was ist das bloß für eine Veranstaltung, bei der so illustere Figuren wie der Linksnationalist Hugo Chávez, der aggressive Antisemit Ahmedinejad, der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko, der Regierungschef Simbabwes, Robert Mugabe, der Parlamentspräsident Nordkoreas, Kim Jong Nam, Uno-Chef Kofi Annan, Saudis, die Fatah und die Bahamas zusammentreffen? Es ist, besser gesagt, es war das Treffen der „Blockfreien Staaten“, das gerade in Havanna stattfand. Blockfreie Staaten? Was zum Henker sind blockfreie Staaten in einer blockfreien Welt? Im Kreuzworträtsel ist unter „Supermacht“ längst nur noch „USA“ vorgesehen, was ja schon kaum mehr als „Block“ bezeichnet werden kann. Die Nato? Na gut, man sagt, sie soll noch existieren - irgendwie irgendwo. Ansonsten gibt es vor allem einen Block: Die Blockfreien Staaten.

Vertreter aus 118 Ländern haben sich am Wochenende in Kuba getroffen. Diese Länder repräsentieren die Mehrheit der Weltbevölkerung, alle wichtigen Öl-Staaten sind dabei. Aber als Opfer des US-Imperialismus stilisiert man sich dennoch. Man stellte sich u.a. hinter das Atom-Programm des Iran, kritisierte eifrig (das tatsächlich blockfreie) Israel, und stellte sich hinter die palästinensische Sache - obwohl der eingeladene Hamas-Vertreter die Zusammenkunft boykottierte - weil ein Fatah-Mann da war.

Nach dem Gipfel der Blockfreien reiste Achmed Jihad weiter nach Caracas, wo er dem Block mit Hugo the Boss weiter materielle Grundlagen verschaffte. Inzwischen ist er in New York eingetroffen, wo er in der kommenden Nacht vor der Uno-Generalversammlung (nach dem Auftritt Bushs) eine Rede halten will, auf die wir gespannt sein dürfen. Laut Spiegel-Online will er der Welt seine Vision einer neuen Weltordnung erklären. Es gebe ein System, alle Probleme in den Griff zu bekommen. Achmed wörtlich: "Die Islamische Republik Iran hat eine wirkungsvolle Methode, wie man mit der Welt umgeht." Iran werde "versuchen, einige der aktuellen Probleme der Welt zu lösen".

Ist das nun naiver Größenwahn oder eine reale Drohung? Beides nicht gerade beruhigende Aussichten. Und, nur nebenbei: Was würde Tito (Mitbegründer der Versammlung der Blockfreien) dazu sagen? Egal. Aber gewiss ist: Es bleibt spannend...

Montag, September 18, 2006

Lesestoff
Das Beste am Urlaub ist ja, dass man endlich mal zum Lesen kommt. Also bei mir ist das so. Sonst immer nur Zeitungen auf Papier und im Internet, und Blogs, und Mails, und Pamphlete, und Sachbücher und Dies und Das. Jetzt endlich wieder mal drei Romane hintereinander, toll, und alle möchte ich weiter empfehlen:


1. Das neue Buch von Philip Roth „Jedermann/Everyman“.
„Die ferne Zukunft war zur Gegenwart geworden“ ist vielleicht der Schlüsselsatz. Ein Buch über das Altwerden und die Sterblichkeit. Und die scheiß Angst davor. Wer sich nicht davon abschrecken lässt, dass jedes dritte Wort Krankenhaus, Herzkatheder oder Beerdingung ist, der/die sollte sich dieses knallharte Buch ruhig zu Gemüte führen. Leute, wenn ihr so entzückt zum Horizont blickt, bedenkt, dass da jemand steht, der euch den Krückstock in die Hand drücken wird.

2. Albert Camus’ „Der Fall“.
Ein Klassiker, den ich aber bisher nicht gelesen hatte, und der mir geschenkt worden war, wohl um mich auf gewisse Dinge hinzuweisen. :-P Sehr schön und unerbittlich. Noch dazu, weil die „Geschichte“ in Amsterdam und auf der Insel Marken spielt, wo ich zufällig gerade war.

3. Der neue Roman von meinem Lieblingsschriftsteller Philippe Djian „Die Frühreifen“.
Habe etwas gebraucht, um reinzukommen, (und war nach seinem letzten nicht ganz so überzeugenden Roman „Reibereien“ etwas skeptisch) aber dann hat es mich gefesselt. Ebenfalls knallhart. Eine Geschichte über Generationskonflikte, Werte-Nihilismus, sexualisierte Welt und dem erzieherischen Versagen der 68er-Generation. Außerdem viele Hinweise auf mir noch unbekannte Drogen und ihre möglichen Kombinationen (und Wirkungen...). Und herrlich apokalyptisch, darin ist Djian ja ein wahrer Meister. (Wer mir Hinweise auf den völlig nebulösen Ich-Erzähler geben kann, bitte gern!)

Als Lesezeichen diente mir die ganze Zeit eine mysteriöse Postkarte von Charles Bukowski, die er mir wohl geschrieben hat, um mich auf meine mögliche Zukunft hinzuweisen…

Nicht mehr geschafft, bisher, habe ich Uwe Timms „Der Freund und der Fremde“ und Jonathan Safran Foers „Alles ist erleuchtet“, und A.F.Th. van der Heijdens „Der Widerborst“.

Bei der Gelegenheit noch ein Tipp, auch wenn ich es schon letztes Jahr gelesen habe: Irvin D. Yaloms „Die Schopenhauer-Kur“ - eine ganz wunderbare (wenn auch stilistisch mäßige) Schopenhauer- UND Freud-Einführung, und eine Überlegung darüber, wie die beiden zusammenpassen, bzw. eben nicht. Eine Geschichte über das KONKRETE Verhältnis von Philosophie und Psychologie - und das im wahrsten Sinne des Wortes: aus der Praxis.

Also: Mehr lesen! Das sage ich mir jedes Mal nach dem Urlaub. Man kann es aber natürlich auch so sehen: Mehr Urlaub!

Sonntag, September 17, 2006

NPD auf Erfolgskurs?
Nach den Landtagswahlen fragen sich alle, was ist ihr Erfolgsrezept und sind sie noch zu stoppen? Also, sagen wir so: Zum Glück sehen hierzulande die Nazis so aus:

und nicht so wie im "kulturlosen Amerika":



Samstag, September 16, 2006

Reisebeobachtungen
Papst, Islamisten, NPD, verrückte Antiimps, Wahlsonntag, Bundesliga, Antifademo, Nataschas Ski-Urlaub, 9/11, Palästinenser, Holland, Internetgebühren, Sex & Drugs - ich habe grade keine Lust, auch noch etwas dazu zu sagen. Es gibt so viele gute Blogs. Lest doch die! Statt dessen, in Urlaubsstimmung, mal ganz was andres. Ein Gedicht, das ich vor Äonen geschrieben habe... :-)


Die Zeit verbing ich beim Reisen und Warten
meist mit dem Erheben empirischerDaten.
Weil ich Gedrucktem aus Prinzip nicht trau,
glaub ich nur das, was ich seh, wenn ich schau.

Ich frage mich zum Beispiel, warum 80 Prozent der britischen Knaben
kurze rotblonde Haare und Sommersprossen haben.
Das Phänomen daran ist, was wohl jeder kennt,
bei den Erwachsenen sind es nur 30 Prozent.

Das sind bloß die Fakten, will mich damit nicht zieren,
versuche auch leidlich, sie zu analysieren.
Doch manchmal ist selbst die Empirie am Ende
und die Forschungen stoßen auf eiserne Wände.

Verschwinden die Sprossen mit der Zeit?
Oder sterben die Träger so früh?
Wir Wissenschaftler hassen die Dunkelheit,
aber manche Fragen klären sich nie...

Donnerstag, September 14, 2006

Ey, isch kann Karate!“
Hallo?! Kennt jemand Jürgen Cain Külbel? Jürgen wer? Na, Cain Külbel. Nein, man kann wohl nicht voraussetzen, dass jedermensch den „Redakteur und Journalisten“ (Eigenbezeichnung) Jürgen Cain Külbel kennt. Kriminalbeamter in der DDR soll er gewesen sein („Fahnder, Ermittler und Vernehmer“), dann DDR-Karate-Trainer („Träger des 2. Dan“) und heute betätigt er sich vor allem als Autor der jungen Welt und Lyriker.
Seine Vita geht, ebenso wie seine politische Einstellung, umfassend und aussagekräftig aus dem unterhaltsamen Interview hervor, das er dem Muslimmarkt gegeben hat.

Und wenn einer derart viel Unsinn verzapft, darf er sich nicht wundern, wenn das hier und da jemandem auffällt - wie etwa dem Blog-Kollegen „Lizas Welt“ . Doch so mancher, der schreit, will zwar gehört, nicht aber verstanden werden. Und so ist J.C. Külbel nun sauer, weil ihn jemand verstanden hat und zetert wild erzürnt gegen Lizas Welt: Unterlassungserklärungen, Entschuldigungen und die Löschung des gesamten Blogs fordert der Mann, der so gerne Fußtritte verteilt aber offenbar keine Einstecken mag (ist das Grundlage des 2. Dan?).

Aber J.C. Külbel verzichtet auf den K.O.-Tritt, unter einer Bedingung: „Daher biete ich Ihnen (…) sozusagen auf friedlichem Wege an, auf eine Anzeige wegen Beleidigung zu verzichten, so Sie den von mir mokierten Blogg umgehend, d.h. heute bis 20 Uhr löschen.“ Deadline Tagesschau also. Wie ich sehe, hat Lizas Welt das Ultimatum verstreichen lassen. Gong, das war die erste Runde. Die nächsten versprechen, mindestens ebenso lachhaft zu werden…

Ein bööööser Tag
Ich habs ja nich so mit Traditionen. Aber wenn ich nach Düsseldorf fahre, dann will ich dort natürlich lecker, lecker Altbier trinken. Lange genug hat es gedauert, bis ich mich in Berlin eingewöhnt hatte, mich widerwillig auf Pils eingelassen habe. Bis es mir irgendwann, nach Jahren, anfing zu schmecken.
Trotzdem, es gibt ja nun wirklich Pils genug auf diesem Erdenrund, sozusagen im Überfluss. Das herrlich bekömmliche Altbier hingegen wird nur in Düsseldorf, dieser wunderschönen Stadt am Rhein, gebraut - und in Issum bei Mönchengladbach, wo die Diebels-Brauerei steht. Diebels ist und war immer schon mein Lieblings-Alt. Jetzt muss ich feststellen: Es gibt nun auch Diebels-Pils! Das bringt mein Weltbild komplett durcheinander. Nun kapiere ich langsam, was der Diebels-Werbeslogan "Komm Welt lass dich umarmen" eigentlich sagen will. Womöglich werfen die bald Diebels-Kölsch auf den Markt. Dann ist aber Schluss mit lustig. Dann schließe ich mich der Anti-Globalisierungsbewegung an, werfe mir ein Palituch übern Hals und kette mich vor Zentralen multiregionaler Konzerne. Nur dass ihrs wisst...

Samstag, September 09, 2006

Plädoyer für die gegendrehende Kolumne

Nur eine Strassenecke entfernt von hier, wo ich gerade wohne, ist vor zwei Jahren Theo van Gogh abgeschlachtet worden. Es ist das ehemalige juedische Viertel Amsterdams. Ehemalig, weil die deutsche Vernichtungsmaschinerie hier geradezu perfekt funktioniert und fast saemtliche der 80.000 bis 100.000 Juden Amsterdams ausgeloescht hat. Gerade lese ich Albert Camus' "Der Fall", eine Geschichte, die genau hier in Amsterdam, und auch in diesem Viertel beginnt. Ueber die Vernichtung, "diese Gruendlichkeit, dieses planmaessige, geduldige Vorgehen" sagt Camus: "Wer keinen Charakter hat, muss sich wohl oder uebel eine Methode zulegen. Hier hat sie Wunder gewirkt, das steht ganz ausser Zweifel, ich wohne an dem Ort, wo eines der groessten Verbrechen der Geschichte begangen wurde."

Der Mord an Theo van Gogh steht in keinem direkten Zusammenhang zu den Verbrechen der deutschen Nationalsozialisten, und doch muss ich sagen, dass es mich nicht kalt liess, als ich feststellte, dass der Mord mitten in diesem Viertel, nur wenige Fussminuten vom Museum fuer juedische Geschichte entfernt, stattfand, also dem Ort, der an das erinnert, was hier einmal war und also auch an das, was vorgefallen ist; warum heute ausser dem Museum und der grossen portugiesische Synagoge hier kaum etwas vom juedischen Leben uebrig geblieben ist.

Erst bei dieser Reise jetzt und der Produktion an der Holland-Sonderausgabe der Jungle World ist mir ein Aspekt bewusst geworden, der den Mord an Theo van Gogh so nachhaltig fuer die niederlaendische Gesellschaft macht. Querdenker wie er spielen in der niederlaendischen Debatte, in der oeffentlichen Diskussion eine ungemein wichtige Rolle. Jede Zeitung goennt sich eine oder auch mehrere Kolumnen, in denen freigeistige, querdenkende, antiautoritaere Autoren mehr oder weniger Narrenfreiheit haben. Quer durch alle Zeitungen - ob Volkskrant, Het Parool, Trouw, NRC Handelsblad, De Groene Amsterdammer, Metro - also unabhaengig ihrer politischen Ausrichtung, lassen sie alle unbequeme Stimmen zu Wort kommen - zum Teil voellig entgegen der Redaktionslinie. Die Kolumnen sind eine ganz wichtige Institution der politischen Debatte, die Kolumnisten sind in der ach so "gezelligen" Puppenhauswelt der Niederlaender wie ein Sturm der geistigen Freiheit.

Theo van Gogh war so einer. Auch sein Freund Theodor Holman, von dem wir eine Kolumne in der aktuellen Jungle World veroeffentlicht haben, ebenso Ebru Umar, die wir fuer diese Ausgabe interviewt haben. Sie unterhaelt diverse Kolumnen im Wirtschaftsradio, in der Gratis-Bahn-Zeitung Metro ebenso wie in der Hausfrauen-Postille Libelle. Auch Ayaan Hirsi Ali gehoerte, auch wenn sie, soweit ich weiss, keine Kolumne betrieb, zu diesen unbequemen Querdenkern. Es gibt noch viele andere. Sie wechseln sich in den verschiedenen Zeitungen ab, sie beziehen sich aufeinander, sie betreiben eine eigene Debatte gegen den Mainstream - mitten im Raum des Mainstreams. Dass sie alle unter anderem islamistischen Fundamentalismus kritisieren, liegt daran, dass sie jeden Fundamentalismus kritisieren, dass sie eben antitotalitaere Freigeister sind - und "gegendrehend", wie man hier sagt. In der aktuellen Ausgabe des Groenen Amsterdammer zieht Holman ueber die Christdemokraten und ihre Ueberlegungen, das Madonna-Konzert verbieten zu wollen, her.

Diese ganz besondere Bedeutung von Meinungs-Kolumnen in den Niederlanden finde ich sehr spannend. Wie ist es in Deutschland? Die gegendrehenden Kolumnisten, die Querdenker, muessen sich an eine Redaktion verkaufen, wo ihnen der Wind aus den Segeln genommen wird, oder sie betreiben Blogs, oder versammlen sich dort sogar (wie bei der Achse des Guten). Andere schreiben in Autorenblaettern wie der konkret - und erreichen dort ausschliesslich eine kleine Gemeinde, die ihnen zuhoert, die mit dem Quergedachten rechnet, und auch schon immer vorher weiss, wie bitteschoen querzudenken sei. Doch genau das Unberechenbare macht die Querdenker aus. Sie gehoeren nicht auf einen Querdenker-Marktplatz, wo man zum Querdenkergucken hingeht. Sie gehoeren, so wie es in Holland der Fall ist, in das Modeheftchen, in die liberale Wirtschaftszeitung, der linksalternativen, der sozialdemokratischen oder christlichen Zeitung, ueberall sollen dich Gedanken anspringen, die dich aus der Ruhe deiner Gewissheiten reissen. Es kommt nicht darauf an, dass diese krummen Gedanken oder steilen Thesen, diese provozierenden Ansichten oder frechen Polemiken sich alle als historisch richtig herausstellen. Es kommt darauf an, das Denken in Bewegung zu halten, der bestaendig, von jedem einzelnen ganz bewusst inszenierten Selbstvergewisserung den Arm umzudrehen.

Taete uns in Deutschland so eine offene Debatte nicht auch gut? Braeuchten wir nicht auch eine Kultur von Querdenkern, die einem an unvermuteter Stelle, wenn man nicht damit rechnet, einen gedanklichen Kinnhaken verpassen, der uns neu ueber dieses oder jenes nachdenken laesst? Vielleicht, aber da, wo Leser sofort ihr Abo kuendigen, wenn sie mit einem ihrer Meinung nach suendigen Gedanken konfrontiert werden, ist die Gesellschaft wohl nicht reif dafuer: Oho, der Broder schreibt doch im antisemitischen Spiegel, der ist ja wohl nicht kosher, hoer ich Leute rufen, die selbst alles andere als kosher sind. Oho, die Jungle World goes Herzinger kreischen andere, wenn sie meinen in dieser oder jenen Zeitung duerften nur gesinnungsgepruefte Wellenreiter das Maul aufmachen. Oho, der Kunstreich in der taz, Skandal, sagen Leute - obwohl er der taz in seinem Kommentar so ueberdeutlich eingeschenkt hat. Bittermann schreibt in der jungen Welt, den setzen wir auf den Index, wird da beschlossen. Oho, der Ebermann steht in der konkret neben der Wagenknecht, der ist sich ja fuer nichts zu schade. Der Gremliza, hat den nicht die SED bezahlt, dem muss ich nicht zuhoeren, argumentieren einige. Der von der Osten-Sacken war bei dieser oder jenen Veranstaltung und darf trotzdem hier oder dort schreiben?!, empoeren sich andere. usw, usf. Ich will damit nicht sagen, dass ich es zum Beispiel gut finde, dass Bittermann in der rot-braun-extremen jungen Welt schreibt, ganz im Gegenteil, aber deshalb kann man ihn doch trotzdem zur Kenntnis nehmen! Um mehr geht es gar nicht!

Aber ich kenne das Phaenomen auch andersrum: Autoren, die nicht mehr in dieser oder jener Zeitung schreiben wollen, weil dort dieser oder jener andere Autor geschrieben hat, weil dort mal diese oder jene falsche Meinung zu lesen war. Ich stehe immer wieder reichlich fassungslos vor diesem ganzen Bekenntnis-Quatsch und jetzt, wo ich taeglich niederlaendische Zeitungen lese, denke ich, wow, das waere bei uns nicht denkbar. So ein Kommentar in der Jungle und wir waeren die Haelfte der Leser oder Autoren los - und das gilt fuer die diversen politischen Richtungen, in die das gehen kann.

Viel zu viele Leute wollen nicht angeregt und aufgeregt, sie wollen bestaetigt werden, sie wollen dass ihre Meinung multipliziert wird (was ja gut ist), aber keinesfalls eine abweichende (was fatal ist).

Theo van Gogh war so ein Querdenker, der in Deutschland keinen Platz gefunden haette. Ein Gegendrehender mit vielleicht oefters falschen, aber - und das ist viel wertvoller, als immer "richtig" zu liegen - jederzeit verstoerenden Ansichten. Er haette vermutlich nur ein Blog betrieben. Sein Platz in den Niederlanden war aber auch nicht komfortabel, eine Gratis-Zeitung vor allem, mit wenig, aber immerhin fuer so ein Projekt doch beachtlichem Niveau, die jeden Tag in den Zuegen und Strassenbahnen ausliegt, und die also eine ungeheure Auflage hat. Aber am Ende war fuer van Gogh auch in Holland kein Platz. Ebru Umar wurde im April auf der Strasse angegriffen, Hirsi Ali aus dem Land geekelt. Schraege Kolumnen aber wuchern weiter wild durch die Medienlandschaft, staendig springen sie dich an, wenn du gar nicht damit rechnest, sie hauen dir auf die Fresse und sagen dir: Die Idylle truegt!
Und das gilt ueberall und bei jedem - auch und gerade im Hinblick auf die eigene geistige Idylle.

Und um noch einmal auf Camus und das Amsterdamer Judenviertel hier zurueckzukommen, vielleicht mal diese These: Wer keine Methode hat, sollte sich Charakter zulegen! Charakter, wie ihn diese niederlaendischen Kolumnisten repraesentieren, ist auch eine Antwort auf, bzw. das Gegenstueck zur moerderischen Nazi-Ideologie.

Freitag, September 08, 2006

Aus dem Off
Es ist sehr entspannend, das Internet mal ne Weile mehr oder weniger zu ignorieren. Hatte ich ja eigentlich nicht vor, hat sich so ergeben. Aber wenn man vor Ort ist, muss man nicht immer googeln und surfen.

Vor Ort in Holland also. Nun haben wir unsere Holland-Jungle auf den Markt geworfen und auch in Amsterdam bei einigen Verkaufsstellen vorbeigebracht. Ist immer wieder ne irre Sache diese Auslandsproduktionen. Durch die Gegend rockern, mit Leuten reden, Fotos machen, Kontakte herstellen, mit dem Team zusammen wohnen, arbeiten, diksutieren, essen, spielen und trinken. Und dann das Ergebnis in den Haenden halten, wow. Es macht echt spass. Allerdings ist der erste groessere Fehler schon aufgeflogen: Es haette auf dem Titelblatt nicht "Wekelijks Krant" sondern "Wekelijkse Krant" heissen muessen. Aber das bemerken wohl nur die Niederlaender...

Jedenfalls habe ich also nicht allzuviel von dem mitbekommen, was die liebe Net-Community so treibt. Da wurde wohl u.a. ueber meinen Jungle-Artikel "Sag mir wo du stehst" diskutiert. Dass ich mich fuer eine Beteiligung der Bundeswehr an der Uno-Truppe im Libanon ausgesprochen habe, hat einige wohl verwirrt. Schoen. Nur mitdiskutieren konnte ich jetzt nicht.

Irgendwo schrieb jemand (habe jetzt die Links nicht hier, sorry!), ich wuerde mich ja nun komplett mit Deutschland identifizieren, weil ich sone Polit-Berater-Saetze gebraucht habe wie "Deutschland muss sich positionieren". Und man fragte, woher der "Wahn" komme, "die politischen Eliten interessierten sich auch nur einen Furz fuer" meinen Artikel. Hm, aus stilistischer Sicht gebe ich der Kritik ja recht. Aber erstens war die Zielgruppe nicht die Bundesregierung, sondern die wie auch immer antideutsche Linke und zweitens weiss ich nicht, ob Forderungen wie "Nie wieder Deutschland", "Deutschland muss sterben" usw. usf. von den "politischen Eliten" mit groesserem Interesse zur Kenntnis genommen werden.

Jemand anderes meinte, ich wuerde nun meiner "eigenen Nation Ratschlaege geben". Also erstens habe ich keine Nation, zweitens waere es nach allen formal-juristischen Kriterien nicht die deutsche, drittens waren es keine Ratschlaege und viertens richteten die sich wie gesagt an die Linke.

Ich denke in der Tat, dass die Kritik an Deutschland einzig mit dem Verweis auf die Vergangenheit oberflaechlich, ideologisch und von Tag zu Tag wertloser ist. Das heisst nicht, dass man die Kritik an Deutschland einstellen sollte, im Gegenteil. Ich denke, derjenige stellt sie nach und nach ein, der Deutschland aus seinem antideutschen Reflex heraus als Hauptfeind der Juden und Israels charakterisiert, und nicht zur Kenntnis nimmt, welche Rolle Deutschland gegenueber Israel und in der Weltpolitik insgesamt tatsaechlich einnimmt, und wo die viel groessere Gefahr fuer Israel und die Juden derzeit droht. Aber dann muesste man ja wieder ueber Islamisten und Jihadisten reden, und das moegen die, die mich da kritisiert haben, ja nicht. Unterstellen gleich Rassismus, oder meinen, ich haette da so eine Manie... Und um nicht ueber den Iran reden zu muessen, reden sie halt lieber ueber das boese Deutschland und die Shoa und die verweigerten Entschaedigungszahlungen usw. Alles gut und wichtig, aber so wie es gerade laeuft, eine Instrumentalisierung der Shoa, die ich nicht akzeptieren mag.

Deutschland kritisieren, kann (wenn wir ueber Aussen-, Weltpolitik reden) nur bedeuten, zu kritisieren, dass sich Deutschland nicht genuegend positioniert im Nahost-Konflikt, nicht eindeutig genug, nicht bedingungslos genug hinter Israel stellt. Das kann man aus der Shoa begruenden, muss man aber nicht. Denn auch von allen anderen Staaten sollte so eine Positionierung gefordert werden, auch solche, die nicht einen Massenmord an Juden vorzuweisen haben. Es ist egal, ob ein Staat eine Geschichte wie Deutschland hat oder eine wie Frankreich, oder eine wie Polen, oder eine wie Russland oder die USA: Wichtig ist, dass sich diese Staaten eindeutig gegen die Koaltion den Jihadisten und hinter Israel stellen. So einfach ist das. Wer mir da mit der deutschen Sonderrolle kommt, und der Shoa, den finde ich verdaechtig.

Eventuell mal einen Schlussstrich zu ziehen, das habe ich nicht im Hinblick auf die "deutsche Nation", sondern auf dessem kritischsten Teil der Linken gesagt. Wer sich jetzt hinter der Shoa vor den konkreten Herausforderungen (Hizbollah entwaffnen, Israels Norden schuetzen) versteckt, der steht bald neben Westerwelle, Stoiber und der Friedensbewegung ganz wunderbar in nationaler Aufstellung.

Nun kann ich aber immer noch nicht weiter darueber diskutieren, denn ich verlaengere meine Reise noch etwas - und zwar aus lauter Deutschland-Abneigung, um die Antideutschen unter Euch zu beruhigen.
Jetzt noch ein paar Tage Amsterdam und dann noch ein bisschen weiter urlauben.

Ich glaube, ich geh jetzt ein bisschen Boot fahren....

Achso. Und an den verehrten Kollegen Torsun: Wie ich Deinem Blog entnehme, hat Dich die Lektuere, die ich Dir in die Hand gab, maechtig inspiriert :-) Das machen wir dann aber auch mal zusammen!

Dienstag, September 05, 2006

Mehr als drei Blaettchen!
Fetter Stoff aus Holland!
Morgen kommt unsere Holland-Jungle an den Kiosk. Tipp: Lest sie nicht im Netz! Das Kaeseblatt muesst Ihr auf Papier sehen. Hoffe, wir bekommen auch unsere Ausgaben in unser Ferienhaus nach Heiloo geliefert. Hat mega Spass gemacht die Produktion, war aber auch anstrengend. Heute mal ne Radtour durch Waterland gemacht. Windmuehlen, Kuehe, Schafe, Wasser, fertig. Zum Bloggen komm ich grad nicht so recht. Sorry. Muss auch mal ein bisschen urlauben. Alles Wichtige findet Ihr ja morgen in der Jungle!

Freitag, September 01, 2006

Notiz aus Holland
Also das mit dem Internet ist nicht einfach. Ich darf aber nicht darueber sprechen. Drum und auch weil wir tierisch im Produktiuonsdruck sind, nur kurz ein Lebenszeichen. Komme grad vom Kaasmarkt in Alkmaar, das ist ein Tourie-Unfug vor dem Herrn. Wir muessen ja recherchieren und produzieren gleichzeitig. Also Tripps nach Amsterdam zum Kraaker-Berater, in den Hafen von Rotterdam, zum weltgroessten Blumenmarkt, ins Institut fuer Sozialgeschichte, zum UN-Tribunal in Den Haag, bei anderen Zeitungsredaktionen vorbei. Und dann auf der Suche nach Ersatz-Hirsi-Alis, die es massenweise gibt, aber schwer zu erreichen sind, ebenso wie die Ersatz-Theos. Aber wir sind guter Dinge. Schoene Interviews gemacht, sehr hilfbereite Kollegen bei den anderen Redaktionen. Es wird jeden Tag toll gekocht und gegessen bei uns in unserer Heiloo-Ranch. Auch wenn es sehr eng ist, und leider unsere Korrektur-Abteilung Zuhause geblieben ist. Das heisst, es wird uns sicher der ein oder andre Fehler durchrutschen, da muessen wir auf die Toleranz unserer Leser/innen vertrauen. Hollaendische Toleranz. Mit unserem Vermieter gibt es ueberhaupt gar keinen Stress, auch wenn wir die Muelltrennung missachten und das Bier in Dosen kaufen, weil es hier kein Dosenpfand gibt. Ich ernaehre mich von Vla und Schokostreusel und unterhalte mich inzwischen vollstaendig auf Niederlaendisch mit Niederlaendern, und habe auch schon einen Artikel uebersetzt.
Und nun muessen wir wieder los, weil wir die Zeitungen in der Tasche haben, die in der Ranch gebraucht werden. Wir haben nur kein Foto von der Koenigin, wie sollen wir den Artikel illustrieren?